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Wir müssen mit grosser Kelle anrichten
Schaffhauser Nachrichten, 03.03.2011 von Zeno Geisseler
Schaffhausen hat in den letzten Jahren die Steuern zwar gesenkt, doch andere Kantone haben nachgezogen. Deshalb gibt es jetzt eine weitere Entlastungsrunde. Nicht zur Freude aller.
Als einziger Kanton hat Schaffhausen in den letzten zehn Jahren jedes Jahr die Steuern gesenkt. Trotzdem sind die Steuereinnahmen sowohl des Kantons als auch der Gemeinden gestiegen. Was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch aussieht, ist der Kern der Schaffhauser Steuerstrategie: mit Senkungen des Steuerfusses und Anpassungen der Steuergesetze ist der Kanton attraktiver geworden für Zuzüger, und zwar sowohl für Firmen wie für Private. Etwa 3000 neue Arbeitsplätze wurden seit 2001 geschaffen, 300 Unternehmen sind seit 1998 in den Kanton gezogen. Somit sind trotz tieferer Steuersätze die Einnahmen gestiegen.
Jetzt steht die nächste Entlastungsrunde an. Die Regierung schlägt dem Kantonsrat vor, sowohl Private wie Unternehmen zu entlasten, wobei der Fokus auf den juristischen Personen liegt, wie Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel gestern an einer Medienkonferenz ausführte.
Tiefere Gewinnsteuern
Der grösste Brocken ist eine Senkung der Gewinnsteuer für Unternehmen von fünf auf vier Prozent, was einen Steuerausfall von jährlich acht Millionen Franken für den Kanton und knapp sieben Millionen Franken für die Gemeinden mit sich bringt (siehe auch Tabelle). «Wir müssen hier mit der grossen Kelle anrichten», sagte Widmer Gysel. Denn mit der Senkung kann sich Schaffhausen, wie ein Blick auf die Grafik rechts zeigt, schweizweit weit vorn positionieren, noch vor Zug und weit vor Zürich. Der Schritt ist nicht zuletzt als präventive Massnahme im Zusammenhang mit dem Steuerstreit mit der EU zu verstehen. Denn der Bundesrat will bei der privilegierten Besteuerung der für Schaffhausen sehr wichtigen ausländisch orientierten gemischten Gesellschaften den Hebel ansetzen. Sie liefern dem Kanton heute mehr als 40 Prozent aller Gewinnsteuern. Zum grössten Teil sind das neu angesiedelte Unternehmen. Diese, so fürchtet die Kantonsregierung, könnten ihren Sitz bei Steuererhöhungen in kurzer Zeit verlegen. Mit der kantonalen Steuersenkung kann Schaffhausen hier Gegensteuer geben.
Tiefere Holdingkapitalsteuern
Ebenfalls angepasst werden sollen die - bereits sehr tiefen - Holdingkapitalsteuern, wobei der Ausfall mit 0,3 Mio. Franken je für Kanton und Gemeinden viel weniger stark ins Gewicht fällt. Diese zwei Steuersenkungen für juristische Personen sollen ab 2013 in Kraft treten. Privatpersonen wiederum sollen bereits ab 2012 weniger Steuern bezahlen müssen. Davon sollen einerseits kleine und mittlere Einkommen profitieren, indem die Untergrenze für steuerfreie Einkommen von 6300 auf 7200 Franken (Alleinstehende) bzw. von 11 900 auf 13 800 Franken (Verheiratete) angehoben wird. Andererseits sollen Vermögende entlastet werden, indem der Höchstsatz ab einem Vermögen von 583 000 Franken von 2,3 auf 1,8 Promille gesenkt werden soll. Für ein Vermögen von einer Million Franken fallen künftig statt rund 5000 Franken noch rund 4000 Franken Vermögenssteuern an, was allerdings immer noch deutlich mehr ist als in Frauenfeld (3000 Franken), Zürich (2300 Franken) oder Freienbach (1000 Franken). Schliesslich sollen KMU und ihre Eigentümer zum Beispiel durch eine tiefere Besteuerung der Auflösung von stillen Reserven bei Liquidationsgewinnen entlastet werden.
«Kein Spaziergang»
Die Steuersenkungspläne der Regierung werden nun dem Kantonsparlament vorgelegt. Dort dürfte es zu hitzigen Diskussionen kommen, insbesondere, weil die Gemeinden die Senkungen mit einem Beitrag von fast 12 Millionen Franken jährlich mitragen müssen. «Ein Spaziergang wird die Debatte sicher nicht», sagte Finanzdirektorin Widmer Gysel. «Uns ist bewusst, dass die finanziellen Auswirkungen weder für den Kanton noch für die Gemeinden leicht zu verkraften sein werden.» Trotzdem ist die Kantonsregierung davon überzeugt, dass die Entlastung auch auf Gemeindeebene möglich ist - und gutgeheissen wird. «Die Präsidentinnen und Präsidenten der Schaffhauser Gemeinden haben bei den Strategiegesprächen mit dem Kanton die Entlastungspolitik einhellig unterstützt», sagte Widmer Gysel. Leisten können es sich die Kommunen nach Meinung der Regierung auch. Zwischen 2007 und 2009 hätten die Gemeinden bei einem jährlichen Umsatz von insgesamt 430 Millionen Franken Überschüsse von rund 30 Millionen Franken erzielt, zudem sei die Steuerkraft, also die Steuereinnahmen pro Kopf, zwischen 2000 und 2009 um 710 Franken auf 3096 Franken gestiegen.