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Weltenbummler an der Trompete

Schaffhauser Nachrichten, 05.11.2006 von Sandro Stoll

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War es das bereits, ist das Beste schon vorüber? Das wohl nicht. Aber Franco Ambrosettis Auftritt in der Kammgarn, der das 17. Schaffhauser Jazzfestival eröffnet hat, wird gewiss nicht leicht zu überbieten sein.

Franco Ambrosetti pendelt gern zwischen den Welten. Neben seiner Karriere als Jazztrompeter und -komponist leitete er fast 30 Jahre lang ein Unternehmen und sass in wichtigen Wirtschaftsorganisationen und Verwaltungsräten. Auch als Musiker wechselte er immer wieder die Seiten.

Zwar war der Blick des Tessiners stets nach Amerika gerichtet, sein Selbstverständnis als Künstler wurzelt in der afroamerikanischen Jazztradition. Die Verinnerlichung derer Prinzipien geht sogar so weit, dass ihn Miles Davis einmal als den «einzigen weissen Trompeter, der wie ein Schwarzer spielen kann», bezeichnet hat. Dennoch arbeitete Ambrosetti stets auch mit europäischen Musikern zusammen, und er veröffentlichte mehrere Platten mit ausschliesslich europäischer Musik, zuletzt etwa «Grazie Italia» aus dem Jahr 2000, oder «European Legacy» von 2003.

Elegante Melancholie

Und jetzt, mit 64, macht er noch einmal einen Sprung. In die Kammgarn kam er gestern Abend mit seinem «Blue Mood Ensemble», einer Band, die sich der Fusion von Jazz mit argentinischem Tango und portugiesischem Fado verschrieben hat. Erneut werden also ganze Kontinente überschritten, und wieder tut das Ambrosetti mit der ihm eigenen Leichtigkeit und Eleganz. Damit so etwas gelingt, braucht es die richtigen Sidemen, Ambrosetti hat sie in Pianist Thierry Lang, Bassist Heiri Känzig und dem jungen Michael Zisman am Bandoneon gefunden.
Die Band gehört zu einer der vielen Formationen, mit denen der Trompeter dieser Tage auftritt. Seit er vor ein paar Jahren das traditionsreiche Familienunternehmen in Lugano verkauft hat, ist er viel unterwegs, mit eigenen und mit anderen Bands, im Duo, im Trio oder in der Grossformation. Dass das «Blue Mood Ensemble» nicht jeden Abend zusammen auf der Bühne steht, merkt man dem Quartett aber nur in den ersten paar Minuten an. Schnell ist das Gefühl füreinander da, rasch fühlen sich alle heimisch. Neben Eigenkompositionen von Ambrosetti, Lang und Känzig gibt es da und dort, gut versteckt, auch den einen oder anderen Standard zu hören, zum Beispiel Antonio Carlos Jobims «Luiza». Natürlich sind auch viele Balladen dabei, die Ambrosetti den nötigen Raum geben, seinen so vollen und reichen Trompetenton zu entwickeln.

Innige Momente zu zweit

Neben dem heiter-souveränen Bandleader, der nicht nur mit seinen entspannten Soli, sondern auch mit seinem Charisma viel Zauber versprüht, zieht an diesem Abend vor allem Bandeonist Michael Zisman das Publikum in seinen Bann. Als Solist beweist der junge Bandeonist handwerkliche Klasse und verblüffend viel Reife. Richtig gross aber wird er in den Duo-Passagen mit Ambrosetti, den intimsten und innigsten Momenten des Konzertes.
Nach eineinhalb kurzen Stunden geht das Licht an, und der Zauber ist vorbei. Ein eher traditioneller Einstieg ins Jazzfestival war es diesmal, aber ein Start auf Weltklasseniveau. «Auch in der vermeintlichen Provinz», hatte Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel in ihrer Eröffnungsansprache vor dem Ambrosetti-Konzert gesagt, «gibt es künstlerische Eigenständigkeit und Qualität zu entdecken.» Wie Recht sie damit doch hatte - und wie Recht sie damit aller Voraussicht nach in den nächsten drei Tagen noch haben wird!

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