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Was der Thurgau alles besser macht
Schaffhauser Nachrichten, 16.02.2011 von Zeno Geisseler und Erwin Künzi
Tiefere Steuern, tiefere Staatsausgaben pro Kopf, ein höheres Bevölkerungswachstum: Mostindien hängt das Blauburgunderland ab. Jetzt gibt die Schaffhauser Regierung Gegensteuer.
Mit aufwendigen Standortkampagnen buhlen Schaffhausen und der Thurgau um gut verdienende Steuerzahler und um Unternehmen, locken mit tiefen Immobilienpreisen, sinkenden Steuern und der Nähe zum Flughafen. Eine neue Studie zeigt jetzt, welcher Kanton die Nase vorn hat. Für Schaffhausen ist das Papier keine gute Nachricht: Die Untersuchung der Universität St. Gallen über die Steuer- und Finanzpolitik des Thurgaus hat zutage gefördert, dass der Thurgau bei mehreren Schlüsselindikatoren dem Kanton Schaffhausen voraus ist - und damit besser gerüstet ist, um etwa Vermögende aus dem Kanton Zürich zu sich zu locken.
Markant sind die Unterschiede zum Beispiel beim Bevölkerungswachstum: Der Thurgau ist seit 2005 um jährlich rund ein Prozent gewachsen und damit stärker als die Schweiz insgesamt und auch als der Kanton Zürich. Schaffhausen aber ist mit 0,5 Prozent Zuwachs pro Jahr kaum vom Fleck gekommen. Die Schaffhauser Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel ist sich dieses Unterschieds bewusst. Schaffhausen habe in den Neunzigerjahren einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen in der Industrie erfahren, jede neunte Stelle sei verschwunden. «Dieser grosse Einbruch war Mitursache für die jahrelange Stagnation gerade auch bei der Bevölkerungszahl», sagt Widmer Gysel. Betroffen davon seien aber auch die Investitionen und das Steueraufkommen. Ein solcher Einbruch könne nicht in wenigen Jahren überwunden werden.
«Thurgau hat Nachholbedarf»
Bei den Steuern für natürliche Personen haben beide Kantone in den letzten Jahren Entlastungen durchgeführt. In der Vergangenheit lagen die beiden Kantone jeweils sehr nahe beieinander, 2009 hatte Schaffhausen noch einen leichten Vorsprung. Doch mit den Steuerreformen für 2010 liegt der Thurgau jetzt einen Platz vor Schaffhausen. Mit einer für dieses Jahr vorgesehenen weiteren Entlastung wird der Thurgau sogar in die Top fünf vorstossen. «Das ist so», sagt Rosmarie Widmer Gysel. «Doch der Thurgau hat Nachholbedarf, insbesondere bei den mittleren und höheren Einkommen. Zwischen 2000 und 2009 senkte Schaffhausen seine Steuerbelastung um 3,9 Prozent, der Thurgau jedoch nur um 2,2 Prozent.» Zudem wolle Schaffhausen mit der für dieses Jahr geplanten Revision des Steuergesetzes weitere Entlastungen erzielen. Weit abgeschlagen ist der Kanton Schaffhausen auch bei den Vermögenssteuern: Eine alleinstehende Person muss bei einem Vermögen von einer Million Franken rund 5200 Franken Steuern bezahlen, in Frauenfeld sind es über 2000 Franken weniger. Laut Widmer Gysel sollen auch hier die Sätze sinken. Nur: «Tiefer als der Thurgau werden wir im nächsten Schritt aber nicht gehen können.» Boden gutgemacht hat Schaffhausen hingegen bei der Besteuerung der juristischen Personen. In den Jahren 2000 und 2005 lag Schaffhausen noch hinter dem Thurgau zurück, konnte aber dank sehr starken Senkungen den östlichen Nachbarn knapp überholen und lag 2009 auf dem achten Rang (Thurgau Rang 9). Beide Kantone wollen die Belastung für Unternehmen weiter reduzieren. «Wir planen, die Gewinnsteuern für Unternehmen in unserem Kanton von fünf auf vier Prozent zu senken, und werden damit hier weiterhin die Nase vorn haben», sagt Rosmarie Widmer Gysel. «Hier ist aber auch anzufügen, dass in Schaffhausen die Steuereinnahmen von juristischen Personen rund 16 Prozent, im Thurgau jedoch nur 9,6 Prozent der gesamten Steuereinnahmen ausmachen. Auch dies ist ein Hinweis darauf, dass sich die beiden Kantone eben auch aufgrund ihrer Struktur nur bedingt vergleichen lassen.» Möglich sind die tiefen Thurgauer Steuern nur, weil auf der anderen Seite auch die Ausgaben in Schach gehalten werden. Bei den Pro-Kopf-Ausgaben (Basis 2007, Gemeinden und Kantone addiert) liegt der Thurgau bei rund 11 000 Franken, dem zweittiefsten Wert der ganzen Schweiz. Schaffhausen aber gibt etwa 3000 Franken pro Kopf mehr aus und liegt damit in der unteren Tabellenhälfte (aber immer noch unter dem Schweizer Schnitt). Ein Grund für diese Differenz dürfte in der Grösse der beiden Kantone zu finden sein. «Es ist ein Unterschied, ob Staatsaufgaben wie das Betreiben von Spitälern, Gesundheitswesen, öffentliche Sicherheit für 245 000 Personen wie im Thurgau oder für 76 000 Personen wie bei uns wahrgenommen werden müssen», sagt Widmer Gysel. Das stimmt. Nur: Andere Kleinkantone leiden unter den gleichen Skaleneffekten, schneiden aber viel besser ab. Appenzell Innerrhoden etwa kommt laut Studie bei vier von fünf untersuchten Kostenfaktoren auf Platz eins oder zwei, nur bei der Bildung geben die Appenzeller deutlich mehr aus als die grössten Sparfüchse (hier gehört Schaffhausen zu den sechs Kantonen mit den tiefsten Pro-Kopf-Ausgaben). Bei der öffentlichen Sicherheit bezahlen nur drei grosse Kantone (ZH, GE, BS) pro Kopf mehr als Schaffhausen, bei der Gesundheit liegt Schaffhausen im zweiten Drittel, die meisten Kleinkantone bezahlen deutlich weniger. Kann der Kanton Schaffhausen seine Ausgaben nicht in den Griff bekommen, wird sich der Abstand zum Thurgau noch vergrössern. Schon jetzt gehört der Nordschweizer Kanton laut Studie zu den vier Ständen mit dem grössten Wachstum der Ausgaben.