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Sparprogramm: Jetzt reden die Parteien
Schaffhauser Nachrichten, 06.02.2012 von Zeno Geisseler und Erwin Künzi
25 Millionen Franken will der Kanton einsparen, dazu baut er unter anderem 57 Stellen ab. Die Parteien reagieren unterschiedlich auf diese Ankündigung.
Die Differenzen zwischen den Parteien im Kantonsrat sind oft gar nicht so gross. In vielen Fällen finden sie eine gemeinsame Basis und können ihre unterschiedlichen Ansichten unter einen Hut bringen. Dieser Konsens scheint allerdings bei den Sparplänen der Kantonsregierung, dem Entlastungsprogramm 3 (ESH 3), nicht gegeben zu sein. Wir haben die Präsidien der zehn im Schaffhauser Parlament vertretenen Parteien gefragt, was sie vom Sparprogramm halten. Liest man die Antworten, wird deutlich, dass sie sich höchstens in einem Punkt einig sind: dass das Programm Verbesserungspotenzial hat. Was genau aber verändert werden sollte, darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Zur Einstimmung hier nochmals die Kernpunkte des Sparprogramms: Der Kanton steuert auf riesige Defizite zu, er rechnet mit Einnahmeausfällen von jährlich 40 Millionen Franken. Damit der Haushalt nicht aus dem Lot gerät, hat die Regierung das Entlastungsprogramm 3 (ESH 3) ausgearbeitet. Damit sollen jährlich 24,7 Millionen Franken eingespart werden, dies entspricht 4,4 Prozent des Aufwands. Weil dies nicht reicht, um die gesamten Ausfälle zu kompensieren, soll die Differenz aus dem noch immer üppig gefüllten Eigenkapitaltopf berappt werden.
Keine neuen Steuern
ESH 3 schlägt 101 Massnahmen vor. Auf der einen Seite sollen die Kosten gesenkt, auf der anderen Seite Gebühren und Abgaben erhöht werden. Ausgeschlossen ist eine Erhöhung der Steuern. Grosse Brocken sind unter anderem eine Reduktion der Beiträge an die Spitäler Schaffhausen im Umfang von 4,5 Millionen Franken, die Abschaffung von Vergünstigungen im Flextax-Tarifverbund für 1,5 Millionen Franken und die Reduktion der Staatsbeiträge an die Landeskirchen in Höhe von einer Million Franken. Das Departement des Innern ist mit rund 8,6 Millionen Franken für die meisten Einsparungen zuständig, gefolgt vom Erziehungsdepartement mit 7,3 Millionen Franken. Das Massnahmenpaket hat auch einen Stellenabbau zur Folge. Der Kanton bietet rund 2700 Stellen an, davon sollen 57 verschwinden, also etwa zwei Prozent. 23 davon betreffen Volks- und kantonale Schulen, 20 das Spital, der Rest die Verwaltung. Der Stellenabbau soll ohne Kündigungen möglich sein. Den grössten Teil der Einsparungen kann der Regierungsrat in eigener Kompetenz beschliessen. Er hat Massnahmen im Umfang von rund 18 Millionen Franken bereits beschlossen. Rund vier Millionen Franken entfallen auf die Gesetzesstufe, wofür in erster Linie das Parlament zuständig ist, umstrittene Geschäfte könnten auch an die Urne gebracht werden. Von den Sparplänen profitieren auch die Gemeinden. Sie werden netto um drei Millionen Franken entlastet.
Leitartikel auf Seite 3
«Kahlschlag bei der Bildung»
«Zwei Sachen stören mich am ESH 3 besonders», sagt Till Aders, der Präsident der Alternativen Liste. «Einerseits der Kahlschlag bei der Bildung, andererseits, dass nie daran gedacht wurde, die Steuern zu erhöhen.» Stattdessen würden Lektionen und Klassen gestrichen. Dies sei der falsche Weg: «Wir sind der Kanton mit dem zweithöchsten Durchschnittsalter. Wenn man Familien in den Kanton locken will, ist es nicht richtig, ausgerechnet bei der Bildung zu sparen.» Andere Massnahmen seien «Zaubertricks»: etwa Abschreibungen über 50 statt über 30 Jahre oder gewisse Posten, die garantiert anfielen, einfach nicht zu budgetieren, so etwa die Notgrabungen.
Doch nicht alles sei schlecht am Sparprogramm: Begrüssenswert sei etwa die Kürzung der Beiträge an die Landeskirchen oder an das Amt für Militär und Zivilschutz, sagt Aders.
«Regierung hat ihre Aufgaben gemacht»
«Der Kanton hat den Auftrag, mittelfristig eine ausgeglichene Rechnung zu präsentieren, die Regierung hat ihre Aufgaben nun gemacht», sagt CVP-Präsident Christian Di Ronco. Er hätte die Schwerpunkte aber anders gesetzt. «Jetzt sind die Schulen und die Spitäler besonders betroffen», sagt Di Ronco. «Ich frage mich, ob nicht stattdessen bei der Verwaltung grössere Einsparungen möglich wären.» Weiter sei er überrascht gewesen, dass die Grossprojekte Spital und Sicherheitszentrum wie vorgesehen weitergeführt würden. «Wenigstens den Planungskredit hätte man zurückstellen können, eine Verzögerung von ein, zwei Jahren hätte keine grosse Rolle gespielt.» Das letzte Wort zum Sparprogramm ist laut Di Ronco sowieso noch nicht gesprochen. Er rechnet damit, dass es im Parlament zu grossen Diskussionen kommen wird.
«Bussenerhöhung liegt quer im Hals»
«ESH 3 ist unausweichlich», sagt EDU-Präsident Erwin Sutter. «Schulden dürfen auch aus Rücksicht auf die kommenden Generationen nicht angehäuft werden.» Das Programm sei in der Höhe richtig, es scheine ausgewogen, aber es dürfe noch rascher umgesetzt werden. Aber: «Quer im Hals liegt die Erhöhung von Bussen um eine halbe Million. Soll einmal mehr der Autofahrer geschröpft werden, einfach weil hier so einfach Geld abgeschöpft werden kann?» Weiter fragt sich Sutter, ob gerade im Spitalbereich Personal abgebaut werden soll, «wo ja Leistungen aufgrund der Nachfrage erbracht werden müssen». Es stelle sich die Frage, ob nicht in der Verwaltung gespart werden könnte. Personalreduktionen seien durch Streichen von Stellen, Reorganisation (Zusammenlegen von Abteilungen) und Effizienzsteigerungen möglich.
«Sind empört, dass es Familien trifft»
Die EVP ist laut Ruedi Flubacher der Meinung, dass die Sparrunde nötig ist und die Sparauflagen ausgewogen auf die Departemente verteilt sind. Klare Kritik äussert die EVP an den Gründen für die Sparrunde: «Wir sind allerdings auch entschieden der Meinung, dass diese Übung (mindestens teilweise) das Resultat einer verfehlten Steuerpolitik in den letzten Jahren ist. Anstatt in rosigeren Zeiten zu sparen, hat man immer sofort Steuern gesenkt. ... Die EVP ist empört, dass es wieder einmal mehr die Familien sind, die Mehrkosten zu tragen haben (Erhöhung von Schulgeldern, Studiengebühren; Streichung von Beiträgen an die Musikschule usw.).» Es sei noch zu früh, zu Details des Sparprogramms Stellung zu nehmen, da oft nicht klar sei, was gemeint ist. «Wir möchten genau wissen, welche Stellen zum Beispiel im Volksschulbereich abgebaut werden», so die EVP.
«Bevölkerung wird nichts spüren»
«Die FDP steht hinter diesen Massnahmen, denn sie sind verkraftbar, und die Bevölkerung wird nichts von ihnen spüren», erklärte Nihat Tektas. Das Sparpaket gehe nicht zu weit, denn «wenn man den Staatshaushalt entlasten will, genügen Lippenbekenntnisse nicht». Die FDP hatte vorgängig Bedenken, dass zu stark bei den Einnahmen in Form von Gebühren und Bussen geschraubt werde: «So ist es vertretbar, vor allem, weil die Einnahmen nach dem Verursacherprinzip erhoben werden sollen.» Weiteres Sparpotenzial sieht Tektas bei den grossen Projekten: «Vor allem die 77 Millionen beim Sicherheitszentrum muss man nochmals anschauen, falls sich der gewünschte Erlös beim Klosterviertel nicht realisieren lässt.» Ganz sicher dürfe es nicht zu einer Objektsteuer kommen. Tektas geht davon aus, dass die FDP im Kantonsrat dem Sparpaket zustimmt.
«Bei der Kultur hat es noch Potenzial»
«Wir haben schon immer einen grösseren Sparwillen gefordert», sagt Christian Mundt, Co-Präsident der Jungfreisinnigen. «Jetzt hat die Regierung endlich gezeigt, dass man sparen kann, ohne dass es dem Bürger weh tut. Das ist sehr positiv.» Zuvor habe die Regierung immer behauptet, dass Einsparungen kaum möglich seien. Allerdings geht den Jungfreisinnigen das Sparprogramm noch zu wenig weit. Sie sehen unter anderem im Kulturbereich noch Potenzial. Vorsicht walten lassen solle man hingegen bei der Bildung, sagt Mundt. Auch hier sei sparen zwar nicht tabu, aber vielleicht solle man mit dem gleichen Geld einfach effizienter umgehen.
Gar kein Verständnis hat Mundt für die Anhebungen der Gebühren und Bussen. «Das sind Steuererhöhungen durch die Hintertür. Und die Autofahrer werden jetzt schon abgezockt.»
«Sparvorschläge dringend nötig»
Die Junge SVP begrüsst das Sparpaket: «Es ist richtig, dass der Haushalt ausgeglichen ist und so den künftigen Generationen kein Schuldenberg hinterlassen wird», sagte Ueli Werner. Allerdings wundert er sich, warum diverse Effizienzmassnahmen nicht schon früher ergriffen wurden. Für die JSVP ist das Sparprogramm ein guter Anfang, es müsse aber ständig nach Effizienzsteigerungen Ausschau gehalten werden: «Das ist ein laufender Prozess.» Probleme hat die JSVP mit den Sparmassnahmen bei der Bildung: «Da geht es um unsere Zukunft. Wir werden darauf schauen, dass für die Schüler keine Nachteile entstehen.» Werner hofft, dass die Sparvorschläge der Regierung auch umgesetzt werden können: «Sie sind dringend nötig für die Entlastung des Staatshaushaltes.» Keine Option sei aber das Sparen bei den notwendigen Investitionen, etwa beim Spital.
«Sparvorschläge sind ein Schlag»
Als Schlag empfindet Iren Eichenberger die Sparvorschläge: «Sie sind Ausdruck der einseitigen Strategie des Steuerabbaus.» Durch die Reduktion von Leistungen würden die Kosten minimalisiert. «Das kann nicht der Weg sein», so Eichenberger, die von «gigantischen Eingriffen» spricht. Trotzdem wolle man die grossen Investitionsvorhaben verwirklichen, ohne zu hinterfragen, ob diese wirklich in diesem Ausmass nötig seien: «Hier braucht es eine schweizweite Koordination.» Als «Farce» bezeichnet es Eichenberger, wenn die Regierung beim Stellenabbau von natürlichen Abgängen spreche: «Das wird nicht möglich sein, etwa bei der Kirche, die ein Viertel ihres Beitrags verliert oder bei der Musikschule und weiteren.» Daher dürften Steuererhöhungen kein Tabu sein. Eichenberger hofft, dass sich der Kantonsrat andere Strategien überlegt, denn «so kann es nicht bleiben».
«Einmal mehr ein Leistungsabbau»
Die SP ist ob der Sparvorschläge nicht erfreut: «Einmal mehr werden Leistungen abgebaut sowie Gebühren und der Druck aufs Personal erhöht», erklärte Martina Munz. Bei vielen Massnahmen stelle sich die Frage, was das jetzt genau bedeute. Sollte es etwa beim Stundenabbau in der Schule die musischen Fächer treffen, sei das «bedenklich». Beim Spital sei die Zitrone ausgepresst, und wenn dort Personal abgebaut werde, leide die Pflegequalität. Besonders stört Munz, dass verschwiegen werde, dass die Steuern um 75 Millionen pro Jahr gesenkt wurden: «Das kann der Staatshaushalt nicht verkraften.» Die SP wird versuchen, im Kantonsrat und über Vorstösse Einfluss auf das Sparpaket zu nehmen, macht sich aber wegen der Mehrheitsverhältnisse keine Illusionen. Aber, so Munz, «dieses wird nicht sang- und klanglos über die Bühne gehen.»
«Das Programm geht zu wenig weit»
SVP-Präsident Werner Bolli findet grundsätzlich positive Worte für das Entlastungsprogramm: «Die Stossrichtung stimmt, und es gibt keine Steuererhöhung.» In seinen Augen gehen die Sparpläne aber zu wenig weit: «Die Ausfälle betragen 40 Millionen Franken pro Jahr, die Regierung will aber bloss 25 Millionen Franken einsparen. Da bleibt eine Lücke.»
Bolli sieht weiteres Sparpotenzial insbesondere in der allgemeinen Verwaltung. Namentlich beim Erziehungs- und Baudepartement könne man noch Stellen streichen. «Da», sagt Bolli, «hat es noch Fleisch am Knochen.» Auch der Sachaufwand sei noch zu wenig genau unter die Lupe genommen worden. Höhere Gebühren und Bussen sind für die wählerstärkste Partei des Kanton Schaffhausen hingegen keine geeigneten Mittel zur Bekämpfung des Defizits.
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