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Ohne Richterspruch in die Zelle

Schaffhauser Nachrichten, 18.08.2011 von Zeno Geisseler

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Bis zu 24 Stunden soll die Polizei künftig Leute fest-halten können. Dies auch dann, wenn gar nichts Ille-gales vorliegt. Die Kosten trägt die betroffene Person.

Schon seit jeher gabelt die Polizei Betrunkene, Verwirrte oder Obdachlose auf, die offensichtlich nicht mehr für sich selbst sorgen können. Falls es nicht anders geht, kommen sie in Gewahrsam, also zum Beispiel in die Ausnüchterungszelle.

Was in der ganzen Schweiz langjährig gelebte polizeiliche Praxis ist, ist im Kanton Schaffhausen gesetzlich gesehen ein Problem. Denn es fehlt die rechtliche Grundlage. Deshalb soll nun das Polizeiorganisationsgesetz angepasst werden. Mit dem neuen Gesetz soll die Polizei die Möglichkeit erhalten, Personen bis maximal 24 Stunden von einem Ort wegzuweisen, fernzuhalten - oder eben in Gewahrsam zu nehmen. «24 Stunden erscheinen zwar kurz», heisst es in der gestern von Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel vorgestellten Vorlage, «dafür kann relativ einfach, rasch und pragmatisch Ruhe geschaffen werden.» Schon heute kennt Schaffhausen den Gewahrsam bei häuslicher Gewalt, zur Verhinderung von Gewalt bei Sportveranstaltungen und bei Zuwiderhandlungen gegen das Vermummungsverbot. Jetzt sollen auch Personen in Gewahrsam genommen werden können, die sich in einem Zustand befinden, in welchem sie für sich oder andere eine ernsthafte Gefährdung darstellen - zum Beispiel ein Betrunkener, der vor dem Erfrieren gerettet werden muss.

So teuer wie das Luxushotel

Die Kosten für die Einquartierung bei der Polizei soll die Person selbst tragen. «Es ist nicht Aufgabe der Öffentlichkeit, die Kosten für die Betreuung und die Reinigung der Zelle zu tragen», heisst es in der Medienmitteilung. Ausnahmen seien möglich bei Personen, die aus gesundheitlichen Gründen in Gewahrsam kommen. Wie hoch die Rechnung sein wird, die man bei der Entlassung in die Hand gedrückt bekommt, sei noch nicht klar, sagte Widmer Gysel: «Die Gebühren sollen später auf Verordnungsstufe geregelt werden.» Billig wird es aber nicht, wie ein Blick in den Kanton Zürich zeigt. Dort kostet eine Nacht in der Ausnüchterungszelle laut NZZ 950 Franken. Für das gleiche Geld gibt es im teuersten Hotel der Stadt ein Deluxe-Doppelzimmer. Gegen den Gewahrsam kann sich die betroffene Person zwar vor Kantonsgericht wehren, allerdings urteilt der Einzelrichter erst im Nachhinein über die Massnahme. «Eine richterliche Überprüfung während der Dauer des Gewahrsams ist nicht möglich», heisst es in der Vorlage.

Verdeckte Ermittlung im Internet

Weiter soll mit dem neuen Gesetz eine Gesetzeslücke für Ermittlungen im Internet geschlossen werden. Dabei geht es etwa um die Fahndung nach Pädophilen oder Kinderpornografie. Schliesslich sollen Schaffhauser Polizisten künftig nicht mehr zwingend den Schweizer Pass besitzen müssen. Weil es immer schwieriger wird, Leute aus der Schweiz zu rekrutieren, sollen auch Ausländer ins Korps eintreten können. Die Beschränkung soll aus dem Gesetz verschwinden, vorerst aber noch in einer Verordnung vorkommen. Diese könnte bei Bedarf rasch angepasst werden.

Datenbank Kommissar Computer soll Serientäter zur Strecke bringen

In der Schweiz gibt es seit einigen Jahren eine kantonsübergreifende Datenbank für Gewalt- und Sexualdelikte. Schaffhausen ist bislang im Pilot- betrieb dabei, jetzt soll der definitive Beitritt zum entsprechenden Konkordat folgen. Dies schlägt die Kantonsregierung dem Parlament in einer Vorlage vor.

Der Hintergrund: Serientäter gehen oft nach dem gleichen Muster vor, suchen ähnliche Opfer aus oder wenden bestimmte Praktiken immer wieder an. Für die Polizei ist es oft schwierig, solche Zusammenhänge zu erkennen. Häufig liegen die Taten räumlich oder zeitlich weit auseinander, zudem müssen die Behörden sehr viele Fälle durchforsten. Mit der Datenbank werden sie systematisch erfasst und können einfach abgeglichen werden.

Kanadisches System

Der Schweizer Pilotversuch läuft seit 2003 und basiert auf einem System, das von der Royal Canadian Mounted Police entwickelt wurde: das «Violent Crime Linkage Analysis System» (ViCLAS). Darin werden Fälle in standardisierter Form erfasst. Dank ViCLAS sei in der Schweiz unter anderem ein Mörder gefasst worden, zudem seien mehrere Sexualdelikte geklärt worden, darunter der Missbrauch eines Kindes, heisst es in der Vorlage der Regierung. Finanziert wird das System durch die Kantone, wobei der Beitrag von der Anzahl Einwohner abhängig ist. Laut Vorlage fallen für Schaffhausen jährliche Kosten von rund 18 000 Franken an. Im Pilotbetrieb waren es jährlich 12 026 Franken.

Quelle