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Ohne einschneidende Massnahmen droht ein Fiasko für die Staatskasse

Kantonsrat

Schaffhauser Nachrichten, 25.06.2013 von Zeno Geisseler

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Weitere Millionendefizite sind absehbar, wenn der Kanton Schaffhausen nicht die Ausgaben senkt oder die Einnahmen erhöht.

Der Finanzplan 2013 bis 2016 ist Makulatur. Eigentlich hätte die Regierung bis 2016 wieder eine ausgeglichene Rechnung präsentieren wollen, doch davon ist der Kanton Schaffhausen weit entfernt. Wie Regierungspräsidentin und Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel im Kantonsrat gestern bei der Einleitung zur Debatte über die Rechnung 2012 ausführte, muss der Kanton Schaffhausen für 2014 mit einem Rekordminus von 55 Millionen Franken rechnen, 2016 sind es weitere 42 Millionen Franken.

Schon seit 2010 schreibt der Kanton rote Zahlen. Und eigentlich ist in der Verfassung das mittelfristige Ziel eines ausgeglichenen Haushalts vorgesehen. «Wenn man ‹mittelfristig› äusserst grosszügig als acht Jahre definiert, dann muss die Staatsrechnung spätestens 2017 ausgeglichen sein», sagte Widmer Gysel. Und weiter: «Es ist eine nackte Tatsache, dass schmerzhafte Entscheide anstehen.» Das heisst im Klartext: ein Abbau von Leistungen und/oder eine Erhöhung der Steuern.

Effizienterer Thurgau

Untätig geblieben ist die Regierung nicht. Sie hat jüngst unter anderem beschlossen, dass Neubesetzungen von Stellen rigoros geprüft werden und der Sachaufwand gesenkt wird. Vor allem aber hat sie das Entlastungsprogramm ESH3 lanciert, das vom Kantonsrat jedoch zerzaust wurde. Widmer Gysel warf dem Parlament gestern denn auch vor, keinen wirklichen Sparwillen zu zeigen: «Wir haben drei Kantonsratssitzungen verbraucht, um 75 000 Franken an Einsparungen zu beschliessen.» Die Thurgauer Regierung habe ebenfalls ein Entlastungspaket beschlossen, das Parlament habe die Vorlage in nur gerade anderthalb Stunden verabschiedet. «Wir aber brauchen Tage für ganz geringe Summen», sagte Widmer Gysel. Zu schaffen machen dem Kanton die soziale Wohlfahrt, die Gesundheit und die Bildung. Sechs von zehn Franken, die der Kanton ausgibt, fliessen in diese Bereiche. Die Kosten dort wachsen laut Widmer Gysel um vier bis fünf Prozent pro Jahr. Was tun? Die Fraktionen schlagen unterschiedliche Massnahmen vor. Die SVP/JSVP/EDU/SVP-Senioren-Fraktion will vor allem bei den Ausgaben sparen und Steuererhöhungen vermeiden und wird dabei von der FDP/JFDP/CVP-Fraktion unterstützt. Die SP/Juso-Vertreter hingegen wollen sowohl die Ausgaben senken als auch die Steuern erhöhen. Die Alternative Liste sagt, dass sie nur zu Ausgabenkürzungen Hand biete, wenn gleichzeitig Steuerprivilegien abgeschafft würden. Dann wurde es konkret. Florian Hotz (JFDP, Schaffhausen) etwa kritisierte die Energiestrategie, «mit der wir die Welt retten wollen, die aber einen minimalen Impact hat». Interessant war auch der Vorschlag von Markus Müller (SVP, Löhningen). Er machte vor allem in der Bildung noch Luft für Einsparungen aus. Er forderte, dass die Schulen kantonalisiert werden: Überall würden Schulhäuser und Schulzimmer geplant. Stattdessen solle der Kanton alle Schulen übernehmen, planen und befehlen. Dann ging es in die Detailberatung der Rechnung 2012 (siehe unten).

Nachdem er schon für die Eintretensdebatte eineinhalb Stunden gebraucht hatte, liess sich der Kantonsrat gestern auch für die Detailberatung des Geschäftsberichts und der Staatsrechnung 2012 viel Zeit. Bis 12 Uhr war er im Verwaltungsbericht erst bis und mit Volkswirtschaftsdepartement gekommen. Damit braucht das Parlament seit Menschengedenken zum ersten Mal mehr als eine Morgensitzung für die Behandlung der Staatsrechnung des vergangenen Jahres.

Besonders viel Zeit verschlang die Diskussion um die Wirtschaftsförderung. Den Auftakt machte Patrick Strasser (SP, Oberhallau): Beim Budget für 2012 habe der Kantonsrat festgelegt, dass für die Imagekampagne «Schaffhausen. Ein kleines Paradies» nur 250 000 Franken ausgegeben werden dürften. In Tat und Wahrheit seien es aber 85 000 Franken mehr gewesen. «Der Kantonsrat ist hintergangen worden», meinte Strasser. Walter Hotz (SVP, Schaffhausen) forderte, die Wirtschaftsförderung müsse auf Provisionsbasis arbeiten, zudem brauche es eine Leistungsvereinbarung. «Die Regierung muss den Mut haben, härter vorzugehen.» Martina Munz (SP, Hallau) störte die fehlende Transparenz bei der Wirtschaftsförderung, ebenso wie die fehlende Evaluation der Leistungen. Sie forderte einen öffentlich zugänglichen Jahresbericht der Wirtschaftsförderung. Diese müsse zudem genau unter die Lupe genommen werden: «Wenn der Kanton sparen muss, so darf man vor der Wirtschaftsförderung, dem Wohnortmarketing und der Imagekampagne nicht haltmachen», sagte Munz. Regierungsrat Ernst Landolt nahm zu den verschiedenen Kritikpunkten und Forderungen Stellung und versuchte, das Misstrauen, das er gegenüber der Wirtschaftsförderung im Rat feststellte, abzubauen. Die Imagekampagne sei nicht einfach um 85 000 Franken aufgestockt worden, sondern dieser Betrag stamme aus den allgemeinen, vom Rat bewilligten Werbemassnahmen. Die Kritik an der Wirtschaftsförderung könne er nicht verstehen, so Landolt, denn «Schaffhausen hat die beste Wirtschaftsförderung der Schweiz». Das werde ihm immer wieder von Auswärtigen bestätigt. Was die Transparenz angehe, so sei diese vorhanden, rapportiere doch die Wirtschaftsförderung monatlich der Regierung. Landolt erhielt Unterstützung von Bernhard Müller (SVP, Thayngen), der das Lob aus anderen Kantonen bestätigte, und von Erich Gysel (SVP, Hallau), der daran erinnerte, dass die Geschäftsprüfungskommission zweimal jährlich von der Wirtschaftsförderung ausführlich informiert werde. Doch nicht nur die Wirtschaftsförderung gab zu reden, auch die Frage, ob die Spitäler Schaffhausen im letzten Jahr mehr oder weniger Patientinnen und Patienten gehabt hätten. Anknüpfungspunkt war eine Zahl im Geschäftsbericht: Laut dieser liessen sich 2012 133 Prozent mehr Schaffhauser Patienten in ausserkantonalen und in Privatkliniken behandeln als im Vorjahr. Das liess bei Christian Ritzmann (JSVP, Schaffhausen) die Alarmglocken schrillen: Er wollte die Ursachen für diese Entwicklung wissen und fragte, mit welchen Massnahmen man diesen Trend bekämpfen wolle. Die Erklärung lieferte Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf: Laut den neuen Bundesbestimmungen muss der Kanton seit dem 1. Januar 2012 an Behandlungen ausserhalb des Kantons bezahlen. «Gestiegen ist also um 133 Prozent die Zahl der Behandlungen in ausserkantonalen Spitälern und Privatkliniken, an denen sich der Kanton finanziell beteiligen musste, nicht die Zahl der Patienten», so Hafner-Wipf. Da auch weitere Punkte, etwa die Klassengrössen, intensiv diskutiert wurden, kam der Rat zu keinem Abschluss und wird sich deshalb an der nächsten Sitzung erneut mit der Rechnung 2012 befassen.

Kommentar

Eine Bombe hat Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel gestern en passant fallen gelassen: Auf 55 Millionen Franken dürfte das Budgetdefizit im Jahr 2014 klettern, 2016 seien es immer noch 42 Millionen Franken. Gut, was 2016 sein wird, weiss niemand so genau. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Die 55 Millionen Minus für 2014 aber sind höchst beunruhigend, denn mit dem Staatshaushalt ist es wie mit dem Wetter: je kürzer der Abstand zwischen Vorhersage und Eintreten, desto präziser die Prognose.

Offiziell legt die Regierung ihr Budget für 2014 zwar erst im November vor, aber in den Departementen rechnet man natürlich schon lange, wie das neue Jahr aussehen könnte, schliesslich ist der Jahreswechsel nur noch sechs Monate entfernt. Die Gewinnwarnung der Finanzdirektorin ist also nicht einfach Panikmache, sondern mit Fakten oder wenigstens ziemlich guten Annäherungswerten unterlegt. Unabwendbar ist das Rekorddefizit zwar nicht, doch ohne radikale Massnahmen wird es nicht gehen. Die neuen Einschnitte werden noch viel tiefer gehen als beim umstrittenen Entlastungsprogramm ESH3, zumal der Kantonsrat bei den Teilen von ESH3, bei denen er überhaupt etwas zu sagen hat, gewisse Massnahmen deutlich abgeschwächt hat. In dieser Situation erscheint es nahe liegend, für höhere Steuern zu plädieren. Schliesslich hat ESH3 die Steuern noch nicht angetastet, es gibt hier also sozusagen noch eine stille Reserve. Zudem hat das Volk unter anderem Ja gesagt zu höheren Beiträgen des Staates an die Krankenkassenprämien und die «Steuern runter!»-Initiative abgelehnt. Wahrscheinlich ist, dass die Regierung einen Mix aus Aufgabenstreichungen und Steuererhöhungen präsentieren wird, denn keine Seite könnte das Millionendefizit alleine tragen. Wie der Mix aussieht, ist noch offen. Klar aber ist: Ohne nass zu werden, kommt der Kanton Schaffhausen nicht durch dieses Finanzunwetter.