Unternavigation
Nach dem 0:5
Schaffhauser Nachrichten, 07.09.2016 von Zeno Geisseler
In einem anderen Land wäre die Regierung nach so einem Debakel zurückgetreten.» Dieses Fazit hat SP-Schaffhausen-Präsident Werner Bächtold nach dem fünffachen Nein des Schaffhauservolks zum Entlastungsprogramm 2014 am letzten Sonntag gezogen. Das hat schon etwas, aber unsere direkte Demokratie funktioniert nicht so. Wenn Regierungsräte nach Niederlagen an der Urne immer gleich die Segel streichen würden, müssten wir alle drei Monate Neuwahlen durchführen. In Konkordanzregierungen wie dem Schaffhauser Regierungsrat kann man sich sowieso fragen, wer nach dem 0:5 denn die Verantwortung übernehmen soll: bloss Rosmarie Widmer Gysel, weil sie zufällig für die Finanzen zuständig ist? Wohl kaum. Die ganze Regierung ist zuständig. Und das Parlament eben auch. Denn die Damen und Herren Kantonsräte haben sich nicht auf einen Kompromiss einigen können und die Entscheidung ans Volk delegiert. Und jetzt hat das Volk eben entschieden.
Wo waren sie, die Fürsprecher aus allen Parteien?
Diese Zeitung begrüsst Volksabstimmungen immer sehr, weil so der oberste Chef der Demokratie das letzte Wort hat. Im Gegensatz zur Parlamentsdebatte sind an der Urne aber keine Kompromisse möglich. Ein Stimmbürger kann nicht kommen und argumentieren, er lege hier nur ein Ja ein, wenn ein anderer dafür dort Nein stimme. Oder er sei zwar für eine Vorlage, aber nur, wenn sie etwas umgestaltet werde. Das können die Leute im Parlament, die an der Urne aber nicht. Dort sehen wir nur Schwarz oder Weiss, Ja oder Nein. Es gibt kein «Vielleicht», kein «Ja, aber», und die Folge ist dann eben manchmal, dass fünf Vorlagen in einem Aufwisch hinweggefegt werden. Aber musste die Abstimmung wirklich so grossartig scheitern?
Mit Ausnahme der SP waren alle Parteien wenigstens bei der einen oder anderen Vorlage dafür. Doch wo waren sie denn, die Fürsprecher aus den Parteien? Und warum hat die Regierung nicht vehementer für ein Ja gekämpft? Die wissen doch, wie das geht. Als das Volk Ende Februar über die Zukunft der Spitäler Schaffhausen abstimmen musste, trat Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf zusammen mit Spitaldirektor Hanspeter Meister vor dem Volk auf. Von Rüdlingen bis Schleitheim tingelte das Duo von Gemeindesaal zu Gemeindesaal, um den einfachen Bürgern eine komplexe Vorlage näherzubringen, um mit den Leuten zu diskutieren, um sich ihre Sorgen anzuhören und sich kritischen Fragen zu stellen. Das war kraftraubend und zeitaufwendig, und es hat Überwindung gekostet. Aber es hat sich gelohnt, das Volk nahm die Vorlage an.
Wieso hat es zu EP 2014 keine vergleichbare Roadshow gegeben? Vielleicht, weil sich niemand so richtig zuständig fühlte. Die Parlamentarier sahen die EP-2014-Vorlagen als Sache des Regierungsrats, der Regierungsrat sah sie als Sache des Parlaments an. Schliesslich waren die fünf Vorlagen ja nur an die Urne gekommen, weil sie im Kantonsrat das Vierfünftelmehr verpasst hatten. Der Schwarze Peter wurde einfach weitergereicht.
Jetzt wird der Steuerfuss im Zentrum stehen
Nun wird sich die Debatte einfach mehr um den Steuerfuss drehen. Denn wenn Einnahmen und Ausgaben nicht im Einklang stehen und das Volk Anpassungen der Zahlungsein- und -ausgänge ablehnt, dann spielt man eben mit dem Multiplikator, der allen Steuereinnahmen vorangestellt wird.
Als regulierendes Werkzeug hat der Steuerfuss durchaus seine Vorteile. Anders als Gesetze, die bei uns (leider) kein Verfalldatum kennen, ist der Steuerfuss automatisch auf ein Jahr beschränkt, dann muss ihn das Parlament wieder festlegen. Der Nachteil ist, dass der Steuerfuss nur die Einnahmeseite beeinflusst. Von den Steuerzahlern, und gerade von den guten, wird verlangt, dass sie ihren Beitrag zur Gesundung des Haushaltes leisten, während jene, welche Unterstützung erhalten, keine Kürzung befürchten müssen. Solidarisch ist das nicht wirklich.
Vor allem aber löst ein höherer Steuerfuss langfristig die Probleme nicht. Das strukturelle Defizit, dieser hässliche, viel zitierte Begriff, ist nach wie vor da. Ein höherer Steuerfuss verschafft dem Kanton kurzfristig etwas Luft, jedoch entbindet er ihn nicht davon, seine fundamentalen Probleme anzupacken. Für das neue Parlament und die neue Regierung, die ab 2017 im Amt sein werden, wird das eine der ganz grossen Herausforderungen sein.
Wieso hat es zu den Abstimmungen keine Roadshow gegeben? Die Regierung weiss doch, wie das geht.