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Moment mal, so einfach ist das nicht
Schaffhauser Nachrichten, 14.06.2011 von Interview: Zeno Geisseler
Zwei Initiativen wollen den Kanton Schaffhausen auf Sparkurs bringen. Finanz-direktorin Rosmarie Widmer Gysel sagt, was sie von den beiden Volksbegehren hält.
Frau Regierungsrätin, die Kantonsregierung kommt unter Druck. Gleich zwei Volksinitiativen verlangen, dass Sie sparen sollen. Die erste Initiative verlangt eine drastische Senkung des Steuerfusses, die zweite eine Senkung der Ausgaben auf das Niveau der besten Schweizer Kantone. Wie stellen Sie sich diesen Forderungen?
Rosmarie Widmer Gysel: Das sind Anliegen, die wir grundsätzlich auch verfolgen. Aber wir müssen einerseits einen mittelfristig ausgeglichenen Staatshaushalt erreichen, andererseits wollen wir die Entwicklung des Kantons fördern, die Infrastruktur erneuern und steuerlich attraktiver werden. Es ist schwierig, all diese Ziele unter einen Hut zu bringen, insbesondere, weil wir wie bekannt Ausfälle in der Grössenordnung von gegen 15 Steuerprozent zu verkraften haben.
Wenn die beiden Initiativen den Zielen der Regierung entsprechen, dann müssten Sie konsequenterweise die Vorlagen unterstützen. Werden Sie das?
Widmer Gysel: Moment mal, so einfach ist das nicht. Abgesehen davon, dass die Initiativen noch nicht bei der Staatskanzlei eingereicht wurden und wir den genauen Wortlaut noch nicht kennen: Ich erwarte, dass die Befürworter dieser Vorlagen sich auch beim neuen Finanzplan und bei unseren Entlastungsplänen engagieren. Nur so können wir wirklich sparen und damit Steuersenkungen möglich machen.
Könnte man es nicht auch als Misstrauensvotum auffassen, wenn man die Regierung per Volksinitiative zu einem bestimmten Verhalten bringen will? Wären die Initianten überzeugt, dass Sie im Regierungsrat alles richtig machen, hätten sie doch keinen Grund, im Volk Stimmen zu sammeln.
Widmer Gysel: Wissen Sie, dieses Jahr sind Wahlen, nächstes Jahr auch. Da wollen die Parteien jeder Couleur Themen besetzen und von sich hören lassen, das ist normal. Das ist vor allem ein Säbelrasseln. Wir nehmen das auch nicht persönlich. Wir in der Regierung wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Die Jungfreisinnigen sehen das anders. Sie sagen, der Regierung drohten die Finanzen aus dem Ruder zu laufen und im Finanzdepartement werde schludrig gearbeitet. Wie reagieren Sie als Finanzdirektorin auf diese Vorwürfe?
Widmer Gysel: Wir haben deutlich gezeigt, dass wir die Finanzen im Griff haben. Als klar wurde, dass sich die Einnahmen nicht wie erwartet entwickelten, haben wir umgehend reagiert und dem Kantonsrat beantragt, die Behandlung der vorgeschlagenen Steuersenkungen auszusetzen, bis aufgrund der Finanzplanung ein vollständiges Bild über die Entwicklung des Kantonshaushaltes vorliegt. Wir verfügen aber nicht über die hellseherischen Fähigkeiten, den starken Anstieg des Schweizer Frankens und seine Auswirkungen auf die Nationalbankgewinne oder die Ertragssituation der Energiekonzerne und unserer weltweit tätigen Unternehmen besser als diese selber vorherzusehen!
Die Jungfreisinnigen werfen Ihnen aber vor, tatsächlich sei der Kanton vor dem Druck der Gemeinden eingeknickt, weil diese nicht bereit gewesen seien, die geplanten Steuersenkungen mitzutragen. Haben sie recht?
Widmer Gysel: Das ist Unsinn. Ich kann gerne nochmals wiederholen, was wir schon mehrmals deutlich gesagt haben: Als wir im November das Budget präsentierten, war die SNB noch klar in den schwarzen Zahlen. Und über die Höhe der Ausfälle bei den direkten Bundessteuern erhielten wir erst Ende März Kenntnis, also nach der Präsentation der Entlastungspläne. Sobald klar wurde, dass sich die Situation verändert hatte, haben wir reagiert.
Sprechen wir über die beiden Initiativen. Die SVP verlangt, dass die Ausgabenquote Schaffhausens auf das Niveau der fünf besten Kantone gesenkt wird. Wie realistisch ist das?
Widmer Gysel: Wir sind daran, das Ausgabenwachstum einzuschränken. Der Haken liegt in der Vergleichbarkeit. Wir müssen Äpfel mit Äpfeln vergleichen. Es gibt 26 unterschiedliche Systeme in der Schweiz. Was im einen Kanton kantonal geregelt und bezahlt wird, ist im anderen eine Gemeindeaufgabe. Im Kanton Zürich zum Beispiel sind einige Spitäler bei den Gemeinden angesiedelt, während bei uns das Spital beim Kanton ist. Dazu kommen Skaleneffekte: Ein kleiner Kanton hat zum Beispiel per se höhere Sicherheitskosten pro Kopf als ein grosser.
Die Jungfreisinnigen fordern mit ihrer Initiative, dass der kantonale Steuerfuss innert fünf Jahren um zwei Prozentpunkte pro Jahr gesenkt wird. Was hiesse das eigentlich in Franken?
Widmer Gysel: Ein Prozentpunkt entspricht ungefähr 2,3 Millionen Franken Steuereinnahmen, pro Jahr würden die Einnahmen also um rund 4,6 Millionen Franken zurückgehen.
Was halten Sie von dieser Idee?
Widmer Gysel: Die Senkung des Steuerfusses ist ein sehr grobes Instrument. Wir wollen die Steuern dort senken, wo es am dringendsten nötig ist, nicht einfach überall gleichmässig. Und der Steuerfuss an sich sagt nichts über die Steuerbelastung aus. Wir könnten theoretisch ja den Steuerfuss senken, aber gleichzeitig die Unternehmenssteuern anheben. Damit wäre die Forderung der Initiative auf dem Papier erfüllt, trotzdem würden die Firmen höhere Steuern bezahlen. Das kann es ja auch nicht sein.
Sie sind also gegen einen Wechsel der bisherigen Steuerstrategie?
Widmer Gysel: Schauen Sie, wir haben seit 2001 mit dem Weg der gezielten Entlastungen sehr viel erreicht. Private und Firmen bezahlen jährlich fast 80 Millionen Franken weniger Kantonssteuern. Wir haben erstmals seit vielen Jahren wieder ein gewisses Bevölkerungswachstum, die private Bautätigkeit war noch nie so rege wie jetzt, und die Arbeitslosigkeit ist tief. Wir konnten über 3000 neue Arbeitsplätze schaffen. Wir wollen deshalb im Rahmen der Möglichkeiten den bewährten Weg fortsetzen.
Frau Regierungsrätin, besten Dank für dieses Gespräch.