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«Mitmachen wichtiger als der Kranz»
Schaffhauser Nachrichten, 06.10.2015 von MARKUS STANGER
Das Feldschiessen ist für die Schaffhauser Politprominenzmehr als nur ein Pflichtauftritt. Rosmarie Widmer Gysel hat es beruflich mit sehr vielen und sehr hohen Zahlenbeträgen zu tun. Stapelweise türmen sich die diversen Geschäfte und Budgets an ihrem Arbeitsplatz, und so sind die Wochenenden oft mit «Heimarbeit» verbucht. Aus diesem Grund war es sehr erfreulich, dass sie Zeit gefunden hat, das Feldschiessen in Neunkirch zu besuchen.
Wahl der Waffe war klar
Etwas gestresst und pünktlich auf die Minute hatte es die Regierungsrätin, Ehrenmitglied und Gönnerin des Schaffhauser Kantonalschützenverbandes geschafft, das diesjährige Feldschiessen zu besuchen. Weil Rosmarie Widmer Gysel über 30 Jahre aktiv Militärdienst geleistet hat, war die Wahl der Waffenart keine Frage. Das Standblatt und die passende Munition für ihre SIG 210 waren schnell am Schalter bezogen, und es hätte sofort losgehen können, wenn da nicht die vielen Anwesenden in der Schützenbeiz gewesen wären, die die Finanzchefin des Kantons bestens kannten und ihr noch «Guet Schuss» wünschten. Beim Vorbereiten konnte man erkennen, dass etwas Zeit vergangen war seit der letzten Schiessübung. Der Anfang glückte ausgezeichnet. Die ersten drei Schuss konnten ohne grossen Zeitdruck als Einzelschüsse abgegeben werden und nach einer 8 etwas rechts von der Mitte, kamen eine 10 und noch eine 9, ebenfalls wieder rechts vom Zentrum. Jetzt wurde das erste Schnellfeuer in 50 Sekunden kommandiert. Die Schützen links und rechts von Widmer Gysel schossen im schnellen Rhythmus. Der Lärmpegel wuchs. Die 10 Scheiben wurden herangefahren, und der erste Blick erkannte, dass nur drei Einschusslöcher zu sehen waren. Eine 10, 9 und 8 konnten geschrieben werden und auch noch zweimal eine Null. Im zweiten und im dritten Schnellfeuer-Durchgang kamen für eine Auszeichnung nicht mehr genügend Punkte zusammen. Schade, doch die gebürtige Hallauerin nahm es mit Humor und gratulierte den Schützen, denen es zum Kranzresultat reichte. Übrigens stellte sich heraus, dass der Schütze zu ihrer Rechten dem Schaffhauser Polizeikorps angehörte und in diesem Fall die Glückwünsche von seiner Chefin sehr gerne entgegennahm. Endlich in der Schützenbeiz angekommen, durfte man zum gemütlichen Teil übergehen und das eine oder andere von Rosmarie Widmer Gysel erfahren. Der Umstand, dass sie sehr lange in der Schweizer Armee Dienst leistete, ist auf die Einführung des Frauenstimmrechts zurückzuführen. Bei der Eidgenössischen Abstimmung von 1971 ging die Tochter eines Artillerie-Korporals noch in die Sekundarschule. Nachdem der weiblichen Bevölkerung die vollen Bürgerrechte zugestanden worden waren, wollte sie auch für deren Pflichten einstehen.
Vielfältige Ausbildung
Vor allem die Zeit als Zugführerin hat ihr sehr viel Spass und Motivation bereitet. Im Rang eines Obersts waren die Aufträge meistens strategischer Natur. Gut war, dass sich die Diensttage in der Uniform immer perfekt mit ihrer beruflichen Tätigkeit vertrugen. Diese startete sie – ganz aussergewöhnlich – in einem Genfer Spital. Für ihren ersten Berufswunsch absolvierte Rosmarie ein einjähriges Praktikum als Physiotherapeutin. Weil die Ausbildungsvorgaben wechselten und eine Maturität verlangt wurde, musste der Calvinstadt «au revoir» gesagt werden. Nun machte sie eine Gärtnerlehre in Gossau (ZH). Bereits ihr Grossvater hatte diesen Beruf ausgeübt, und die Gene konnten wohl nicht lügen. Mit der gleichzeitig besuchten Abendhandelsschule war die Grundausbildung bereits nach drei Jahren abgeschlossen. Als nächste Ausbildung war dann das Technikum mit der Fachrichtung Gartenbau an der Reihe. Das ausserordentlich verlockende Stellenangebot im Botanischen Garten in Zürich konnte Widmer Gysel einfach nicht ausschlagen. In zwei Jahren hatte sie sich dort die nötigen Sachkenntnisse, Erfahrung und Sicherheit angeeignet, sodass sie nun mit ihrer beruflichen Karriere, begleitet von diversen weiteren Aus- und Weiterbildungen, richtig durchstarten konnte … bis zur heutigen Vorsteherin des Schaffhauser Finanzdepartementes. Dies ist wohl eine ihrer «anstrengendsten» Aufgaben, die, wenn die Finanzlage nicht gerade rosig ist, leider auch nicht sehr populär ist bei der Bevölkerung. Als Ausgleich gönnen sich Rosmarie Widmer Gysel und ihr Mann Georg sehr gerne eine Auszeit in der Walliser Bergwelt. Dort werden dann die beiden Enkelkinder verwöhnt. In den Winterferien ist intensives Skifahren angesagt und im Sommer ausgedehnte Wanderungen. Bei der Verabschiedung nach ihrem Einsatz beim Feldschiessen am Freitag meinte sie, dass der Samstag einem Stapel zu bearbeitender Dossiers gehöre. Dafür würde am Sonntag wieder einmal nichts in der Agenda stehen …