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Lehrstelleninitiative bleibt chancenlos
18. Sitzung des Kantonsrates vom 12. November 2007 08 Uhr; Vorsitz: Matthias Freivogel (SP, Schaffhausen)
Schleitheimer Bote, 13.11.2007 von Kurt Schönberger
Der Kantonsrat lehnt die Volksinitiative 'Schaffung eines Berufsbildungsfonds' ab und empfiehlt sie dem Volk ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung. - Im Weiteren bewilligt er einen Kredit von 1,355 Mio. Franken für den Kauf des Schützenhauses Birch und einen solchen von 645`000 Franken für bauliche Anpassungen des Gebäudes. - Einem Postulat zur Erstellung einer Potenzialstudie Geothermie stimmt er zu.
Lehrstelleninitiative
Ziel einer mit 1`149 gültigen Unterschriften eingereichten Volksinitiative ist es, einen 'kantonalen Berufsbildungsfonds zu schaffen, welcher mit juristischer Persönlichkeit ausgestattet ist'. Er soll durch jährliche Beiträge der Arbeitgeber geäufnet werden. Der Beitragssatz darf ein Promille der Lohnsumme nicht überschreiten. - Kommissionspräsident René Schmidt (ÖBS, Schaffhausen) stellt dem Rat namens der Kommission Antrag, die Volksinitiative sei abzulehnen und dem Volk ohne Gegenvorschlag zur Abstimmung zu unterbreiten. Das Ziel der Initiative war in der Kommission grundsätzlich unbestritten. Dennoch wird sie mit 7:4 Stimmen abgelehnt mit der Begründung, dass heute rund 97,5 % der Schulabgängerinnen im Kanton Schaffhausen eine Anschlussausbildung finden und sich der Kanton in der Berufsbildung mit 22,5 Mio. Franken pro Jahr engagiert. - In der ÖBS-Fraktion sind die Meinungen geteilt. Aus Sicht von René Schmidt kann ein Berufsbildungsfonds, wie ihn die Volksinitiative schaffen will, weder Arbeits- noch Ausbildungsplätze schaffen. Es kann dies auch nicht Sache des Kantons sein, sondern liegt einzig und alleine beim Branchenfonds.
Florian Keller (ALS, Schaffhausen) und Mitinitiant zeigt sich grundsätzlich enttäuscht über die Vorlage des Regierungsrates. Viele Zahlen sind darin nicht ausgewiesen worden. Die Initiative ist auch keine Exoten-Initiative, wie sie in der Kommission bezeichnet worden ist. So kennen bereits fünf Kantone einen Berufsbildungsfonds und sind weitere daran, einen solchen zu bilden. Die Initiative möchte nicht nur neue Lehrstellen schaffen, sondern sie verlangt auch eine gerechtere Verteilung der Berufsbildungskosten. Zentraler Punkt der Initiative ist die Idee, dass alle Betriebe im Kanton Schaffhausen Lehrlinge beschäftigen sollen. Der Berufsbildungsfonds selbst ist nur für jene Betriebe gedacht, die nicht in einem Branchenfonds zusammengeschlossen sind. Namens der Initianten zeigt sich Florian Keller denn auch bereit und bringt dies im Rat kurzerhand ein, dass jene Betriebe, die einen Beitrag an den Branchenfonds bezahlen, von einer weiteren Zahlungspflicht zuhanden des Berufsbildungsfonds ausgenommen werden sollen.
Ja zum heutigen System mit den Branchenfonds
Beat Hug (SVP, Stein am Rhein) und seine Fraktion lehnen die Volksinitiative ab. Im Gegensatz dazu treten sie mit Überzeugung ein für Branchenlösungen, wie sie heute schon existieren und funktionieren. Ein Berufsbildungsfonds führt nur zu Quersubventionen. Betriebe, die keine Lehrstellen anbieten können, müssten andere Branchen mitfinanzieren, was als ungerecht empfunden und letztendlich ja zu keinen neuen Lehrstellen führen wird. - Richard Mink (CVP, Ramsen): Die Initiative ist gut gemeint, eine taugliche Lösung ist sie jedoch nicht. Sie verursacht neue Verwaltungskosten, ohne neue Lehrstellen zu schaffen. Die FDP/CVP-Fraktion lehnt die Initiative ab. - Franziska Brenn (SP, Neuhausen) sieht in der Initiative durchaus eine gewisse Berechtigung, zumal sich die bestehenden Branchenfonds lediglich auf eigentliche Männerberufe beschränken. - Martin Kessler (FDP, Trasadingen) lehnt einen Berufsbildungsfonds klar ab mit dem Hinweis auf bereits bestehende Fonds wie zum Beispiel bei Swissmechanic, der bestens funktioniert. Der Verwaltungsaufwand dafür ist sehr marginal - der von den Initianten vorgesehene Berufsbildungsfonds hingegen würde zu hohen Verwaltungskosten führen. - Erich Gysel (SVP, Hallau) stört sich daran, dass die Verantwortung in Zukunft nicht mehr beim Betrieb selbst liegen soll. Eigeninitiative ist für ihn noch immer besser als Streicheleinheiten vom Staat. 'Vergessen Sie auch nicht, dass das Berufsbildungsamt in unserem Kanton sehr gute Arbeit leistet!'
Signal für duales Bildungssystem
Martina Munz (SP, Hallau): ein Ja zur Initiative ist ein Ja zur Berufsbildung. Sie ist in keiner Weise eine Konkurrenz zu den bestehenden Branchenlösungen. Sehr wichtig für die Sprechende ist die Integration von jungen Berufsleuten in die Berufswelt. Denn ein guter Ausbildungsplatz schützt die Jugendlichen vor sozialer Abhängigkeit und auch vor Gewalttätigkeit. Ein Berufsbildungsfonds stärkt die Berufsbildung, und er stärkt die verantwortungsbewussten Betriebe. - Für Sabine Spross (SP, Schaffhausen) garantiert ein Berufsbildungsfonds die Schaffung neuer Lehrstellen, eine Konkurrenzierung der bestehenden Branchenlösungen sieht sie nicht. Der Verwaltungsaufwand kann in Grenzen gehalten werden. Ein Ja zur Initiative ist gleichzeitig ein Ja zum dualen Bildungssystem. - Dieselbe Meinung vertritt Iren Eichenberger (ÖBS, Schaffhausen). Vor allem mit Blick auf ausländische Betriebe, die ihren Sitz nicht hier haben, bringt die Initiative eine gewisse Verpflichtung. - Patrick Strasser (SP, Neuhausen) ortet viele der bestehenden Probleme in der Volksschule. Dazu braucht es andere Massnahmen. Mit Blick auf die Schaffung neuer Lehrstellen ist die Initiative für ihn dennoch eine gute Lösung.
Lob für grosses Engagement der Unternehmen
'Geld alleine genügt in der Berufsbildung nicht' stellt Erziehungsdirektorin Rosmarie Widmer Gysel fest. Sie lobt das grosse Engagement der Betriebe im Kanton, die in den letzten Jahren zwischen 120 bis 150 Lehrstellen jährlich neu geschaffen haben. Die branchenbezogenen Fonds sollten nicht gefährdet werden. Der Regierungsrat ist klar der Meinung, dass den Betrieben mit Bezug auf die Lehrlingsausbildung möglichst viel Flexibilität belassen und sie mit entsprechenden Rahmenbedingungen unterstützt werden sollen - deshalb lehnt sie sowohl die Initiative als auch einen möglichen Gegenvorschlag klar ab.
Das letzte Wort hat Mitinitiant Florian Keller (ALS, Schaffhausen). Er weist die erhobenen Vorwürfe zurück und stellt fest, dass ein Berufsbildungsfonds keine Konkurrenz, sondern vielmehr eine Ergänzung zu den Branchenlösungen ist.
Ein Antrag, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten, wird nicht gestellt. - Der Rat lehnt die Volksinitiative mit 46:27 Stimmen ab und beschliesst somit, diese dem Volk ebenfalls zur Ablehnung zu empfehlen.
Der Kanton übernimmt das Schützenhaus Birch
Gemäss einer Vorlage des Regierungsrates soll das Schützenhaus Birch (Wohnhaus und Wirtschaft) und das gastgewerbliche Ausbildungszentrum Birch käuflich übernommen sowie einem Baurechtsvertrag mit der Einwohnergemeinde Schaffhausen zugestimmt werden. Der Kaufpreis beträgt 1'355`000 Mio. Franken. Damit werden in Zukunft alle Berufe aus dem Gastro-Bereich am selben Ort untergebracht sein. Für die notwendigen Anpassungen der beiden Bauten zwecks Nutzung als Schulungsräumlichkeiten soll ein Kredit von 645`000 Franken bewilligt werden. Das Restaurant in seiner heutigen Form wird geschlossen. - Kommissionspräsident Martin Kessler (FDP, Trasadingen) empfiehlt namens der Kommission und auch seiner FDP-Fraktion Zustimmung. Was den Baurechtsvertrag anbelangt, möchte Letztere allerdings einen günstigeren Baurechtszins ausgehandelt haben.
Erich Gysel (SVP, Hallau) bezeichnet das Geschäft als eine Win-Win-Situation sowohl für Gastro Schaffhausen als auch für den Kanton. Die SVP stimmt der Vorlage zu. - Das tun auch Iren Eichenberger namens der ÖBS- und Markus Brütsch im Auftrag der SP-Fraktion. - Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel bedankt sich für die gute Aufnahme der Vorlage.
Der Rat stimmt der Vorlage mit 73:0 Stimmen zu. Der Beschluss unterliegt dem fakultativen Referendum.
Potenzialstudie soll über geothermische Abklärungen Auskunft geben
Im Rahmen des 'Energie-Paketes' der SP-Fraktion kommt dann ein weiterer Vorstoss zur Behandlung. Walter Vogelsanger (SP, Beggingen) will den Regierungsrat mittels Postulat beauftragen, eine Potenzialstudie zur Nutzung der Geothermie im Kanton Schaffhausen in Auftrag zu geben. Sie soll aufzeigen, wie die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten zur geothermischen Stromerzeugung und Wärmenutzung im Kanton aussehen. Zudem soll die Umweltbilanz einer geothermischen Stromerzeugung und Wärmenutzung gewichtet und mit anderen Technologien in Vergleich gebracht werden. Von Interesse sind aus Sicht des Postulanten auch Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Ursprünglich war von einer 'Machbarkeitsstudie' die Rede, neu geht es um eine 'Potenzialstudie'.
Baudirektor Hans-Peter Lenherr lehnt das Postulat ab, weil das Gebiet des Kantons Schaffhausen dafür nicht unbedingt geeignet und diese Sache im jetzigen Zeitpunkt wenig sinnvoll ist. 'Es ist daher davon abzusehen, für eine Technologie, die erst in rund 25 Jahren anwendungsreif, bzw. für ein Elektrizitätswerk, das mit hoher Wahrscheinlichkeit nie auf dem Gebiet des Kantons Schaffhausen realisiert wird, eine verhältnismässig teure Studie in Auftrag zu geben'. Vertiefte Studien in dieser Angelegenheit sind seines Erachtens ausserdem Sache der Elektrizitätswirtschaft und nicht der öffentlichen Hand.
Peter Scheck (SVP, Schaffhausen) und seine Fraktion gehen davon aus, dass unter dem Boden einiges an Energiepotenzial steckt. Eine Mehrheit der SVP ist denn auch bereit, dem Postulat zuzustimmen. Eine Potenzialstudie Geothermie kann aufzeigen, wo in unserem Kanton Chancen und Risiken dafür bestehen, wo es sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, Geld zu investieren. Die Kosten allein dürfen hier nicht den Ausschlag geben, ein für die Zukunft solch wichtiges Anliegen abzulehnen. - Urs Capaul (ÖBS, Schaffhausen) votiert für das Postulat, Martin Egger (FDP, Schaffhausen) dagegen. Letzterer weist auf einen Versuch in der Stadt Basel hin, welcher als eigentliches Pionierprojekt bezeichnet werden kann. Aufgrund der dortigen Vorkommnisse und den damit verbundenen Schwierigkeiten lehnt die FDP/CVP-Fraktion das Postulat allerdings ab. Es wäre sinnvoller, das Geld in die energetische Sanierung von Gebäuden zu investieren als in eine solche Studie. - Auch Willi Josel (SVP, Neuhausen) und Markus Müller (SVP, Löhningen) zeigen sich besorgt um die Umwelt, deshalb stimmen sie dem Postulat zu. Markus Müller: 'Diese Sache könnte sich ohne weiteres zu einem grossen Wurf entpuppen! Die Argumentation der Regierung mit der langen Frist ist nicht nachvollziehbar.' - Thomas Wetter (SP, Beringen) sieht eine grosse Chance in dieser Studie, die es unbedingt braucht, um mit Blick auf ein zukunftsträchtiges System einen Schritt weiter zu kommen. - Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen) würde das Postulat auch unterstützen, wenn nicht schon ähnliche Studien gemacht worden wären. Heute weiss man nämlich bereits, dass sich die Region Schaffhausen dafür eignet. Er lädt den Postulanten ein, seinen Vorstoss in dem Sinne zu ergänzen, dass die Studie durch die Axpo bezahlt wird. - Philipp Dörig (SVP, Merishausen) macht sich ebenfalls stark für den Vorstoss, er will diese Sache nicht einfach der Stromwirtschaft überlassen. - Und Urs Capaul (ÖBS, Schaffhausen) schliesslich zeigt sich erstaunt über die Hilflosigkeit der Regierung.
In der Abstimmung überweist der Rat das Postulat Vogelsanger mit 51:13 Stimmen an die Regierung.
Viele Fragen zum Fuss- und Veloverkehr
Für den nicht mehr im Rat anwesenden Interpellanten Jean-Pierre Gabathuler (SP, Schleitheim), spricht Ursula Leu (SP, Schaffhausen). Ziel des Vorstosses ist die Förderung des Fuss- und Veloverkehrs im Rahmen der Agglomerationsprogramme des Bundes. Dem Regierungsrat werden dazu verschiedene Fragen gestellt, die von Baudirektor Hans-Peter Lenherr ausführlich beantwortet werden. Unter anderem führt er aus, dass der Regierungsrat die notwendigen Arbeiten für ein Agglomerationsprogramm in den Bereichen Siedlung und Verkehr frühzeitig und bereits vor einigen Jahren eingeleitet habe. Sie seien Bestandteil des Legislaturprogrammes 2005 - 2008 und des Arbeitsprogrammes des Vereins Agglomeration Schaffhausen für das laufende und das kommende Jahr. - Die Interpellantin zeigt sich von der regierungsrätlichen Antwort nur teilweise befriedigt und beantragt Diskussion. - Aus zeitlichen Gründen findet diese erst an der nächsten Sitzung statt.