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Kindergarten: Beobachten und fördern
Schaffhauser Nachrichten, 13.12.2007 von Erwin Künzi
Im Kindergarten wird ab dem Schuljahr 2008/09 das Dossier «Beobachten und fördern» eingeführt. Damit sollen die Entwicklung und die Kompetenzen der Kinder besser erfasst werden.
Wer glaubt, dass die Kinder im Kindergarten vor allem ein bisschen spielen und Liedlein singen, liegt völlig falsch. Das war vielleicht früher einmal so, doch heute sieht die Wirklichkeit ganz anders aus. In den zwei Jahren, die die Kinder im Kindergarten verbringen, sollen ihre Fähigkeiten und Kompetenzen gefördert und sie für den Eintritt in die Schule vorbereitet werden. Um ihre Fortschritte zu dokumentieren und allfällige Defizite zu beheben, steht den Kindergärtnerinnen sowie den zwei Kindergärtnern, die zurzeit im Kanton arbeiten, ein neues Instrument zur Verfügung. Das Dossier «Beobachten und fördern» soll ab dem Schuljahr 2008/09 in allen Kindergärten des Kantons zum Einsatz kommen.
Entwicklung über zwei Jahre
Nach der Einführung des neuen Kindergartenlehrplans vor zwei Jahren wuchs das Bedürfnis nach einem einheitlichen Beobachtungsinstrument. Bisher wurde gegen Ende der Kindergartenzeit lediglich ein Schulreifetest durchgeführt, ein Instrument, das die Entwicklung eines Kindes über zwei Jahre dokumentierte, fehlte aber. In der Folge entwickelten in diesem Frühling sechs Kindergärtnerinnen zusammen mit Kindergarteninspektorin Sandra Brandenberger das Dossier «Beobachten und fördern», das gestern an einer Medienkonferenz vorgestellt wurde. Unter Verwendung der Begriffe aus dem Kindergartenlehrplan entstand ein Instrument, das alle Beteiligten - die Erziehungsberechtigten, die Kinder wie die Kindergärtnerin - miteinbezieht, wie Schulinspektor Armin Hafner, der die erkrankte Sandra Brandenberger vertrat, erklärte. Beobachtet und gefördert werden sollen die Sach-, die Sozial- und die Selbstkompetenz der Kinder, wobei «das Fördern im Vordergrund steht», so Hafner.
Ein wichtiges Element dieses Dossiers ist die Selbsteinschätzung der Kinder: Sie sollen frühzeitig lernen, ihre Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Insgesamt werden mit dem Dossier verschiedene Ziele verfolgt: Die Kinder sollen bei allen drei Kompetenzen über zwei Jahre hinweg beobachtet werden. Die Kindergärtnerinnen selbst sollen Anregungen erhalten, wie das geschehen könnte. «Es ist nicht die Meinung, dass alles im Dossier gemacht werden muss, es ist lediglich eine Anregung», betonte Hafner. Den Kindern werden Ziele gesetzt, die sie erreichen sollen. Bei der Arbeit daran werden sie beobachtet und erhalten wenn nötig Hilfe. Das Dossier sorgt auch dafür, dass nach einheitlichen Kriterien beobachtet wird und so eine Grundlage für die Gespräche mit den Eltern über ihr Kind entsteht. Das Formular zur Standortbestimmung, in das laufend die Beobachtungen eingetragen werden, dient als Basis für das Gespräch mit den Eltern. «Diese Transparenz gegenüber den Eltern ist uns sehr wichtig», erklärte Jakob Geier, Chef des Schulamts. Wie diese Theorie im Kindergartenalltag aussehen kann, demonstrierte Annelies de Alba, die am Dossier mitgearbeitet hatte, mit ihrer Klasse im Kindergarten Neunkirch. Zuerst erzählte sie den Kindern eine Geschichte und liess sie dann Gegenstände, die in der Geschichte vorkamen, in der Folge aufreihen, wie sie in der Geschichte erwähnt wurden. Dann mussten die Kinder erkennen, ob ihre Lehrerin zweimal das gleiche oder zwei verschiedene Wörter sagte. Ganz zum Schluss mussten sie sich selbst einschätzen, was mit Hilfe einer Schnur, eines lachenden und eines traurigen Smileys geschah.
«Kinder sind ehrlich»
Auf die Frage, ob das mit der Selbsteinschätzung überhaupt funktionieren könne, meinte de Alba: «Die Kinder sind ehrlich, sie unterschätzen sich eher. Klar ist, dass das Einschätzen geübt werden muss.» Das wird ab dem kommenden Schuljahr in allen Kindergärten des Kantons der Fall sein.