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Kanton beugt schlechten Jahren vor
Schaffhauser Nachrichten, 13.06.2017 von Mark Liebenberg
Der Regierungsrat darf gut 33 Millionen Franken an Unternehmenssteuern auf die Seite legen. Der Kantonsrat hat der Bildung der Reserve zugestimmt – auch wenn der Vorgang formal umstritten ist.
Das zugehörige Gesetz tritt zwar erst in sechs Monaten in Kraft – die Schaffhauser Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel kann eine Finanzreserve zur Überbrückung steuerlich schwieriger Jahre aber jetzt schon anlegen. 33,1 Millionen Franken aus der laufenden Rechnung darf die Kantonsregierung damit in ein spezielles Sparkässeli in ihrem Eigenkapital verschieben. Das Geld stammt aus den ausserordentlich hohen Steuererträgen aus Firmengewinnen, die im letzten Jahr unerwartet in die Kantonskasse gesprudelt sind. Mit einem Plus von 83,1 Millionen Franken lagen diese in Rekordhöhe – weit über dem budgetierten Wert.
Das Reservepolster soll während der nächsten zehn Jahre ausschliesslich in Fällen eingesetzt werden, wo die Einnahmen aus den Unternehmenssteuern im Kanton unter die Marke von 50 Millionen Franken fallen. Zusammen mit der Staatsrechnung 2016 hatte das Schaffhauser Kantonsparlament gestern über diesen Mechanismus zu entscheiden. Mit 42 zu 9 hat er dem Vorgehen seinen Segen erteilt.
Zwei Rechtsauffassungen
Das Problem dabei war, dass die Bildung einer solchen Reserve nach aktuell geltendem Finanzgesetz eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Erst das neue Finanzhaushaltsgesetz, das am 1. Januar 2018 in Kraft tritt, sieht dieses Instrument ausdrücklich vor. Die Finanzkontrolle des Kantons – die als Revisionsstelle für die Kantonsrechnung fungiert – hatte in ihrem Bericht denn auch ausdrücklich festgehalten, dass sie «auf die Problematik der Rechtskonformität dieser freien Reservebildung» hinweisen müsse. Diese sei aufgrund der gesetzlichen Vorschriften eigentlich «nicht zulässig». Erst mit dem neuen Finanzhaushaltsgesetz sei dies möglich. Die Amtsstelle schrieb aber auch: «Dem Kantonsrat ist das Recht unbenommen, die Kantonsrechnung aufgrund seiner eigenen Beurteilung zu genehmigen.» Das heisst: ob mit oder ohne Reserve.
Der Präsident der Geschäftsprüfungskommission, Marcel Montanari (JF, Thayngen), nahm diese Bedenken in seinem Bericht auf. Klar, es gebe in diesem Bereich eine «kleine Rechtsunsicherheit». Dies, weil das geltende Recht solche Reserven eben weder verbiete noch erlaube. «Ein Tummelfeld für Juristen», fand Montanari, denn nur ein Gericht könnte entscheiden, ob die eine oder die andere Auslegung des Gesetzes mehr überzeuge. Absurd wäre es aber, wenn man wegen dieses Streits die Rechnungsgenehmigung auf Januar 2018 verschöbe. Argumente gegen die zu schaffende Reserve gebe es nämlich kaum. «Der Rat hat zum neuen Finanzhaushaltsgesetz einstimmig Ja gesagt, das Referendum wurde nicht ergriffen – was auch als Zustimmung gewertet werden kann.» Es liege in der Kompetenz des Parlamentes, diese Massnahme jetzt zu beschliessen, und davon solle der Rat jetzt Gebrauch machen – und nicht erst im Januar.
Es bestünden zu dieser Frage zwei Rechtsauffassungen, die beide vertretbar seien, sagte Staatsschreiber Stefan Bilger, quasi der Rechtsberater des Parlaments. Er riet zu Pragmatismus. «Da die geplante Einlage in sechs Monaten ohnehin möglich wird, wird auch kein problematisches Präjudiz geschaffen.»
Finanzpolitischer Schlagabtausch
In der Folge waren es die Sozialdemokraten, die auf einer rechtskonformen Umsetzung beharrten. Matthias Freivogel (SP, Schaffhausen) beantragte, den Vorschlag der Reserve an die Regierung zurückzuweisen. «Wenn die Finanzkontrolle – ein unabhängiges Gremium – sagt, dass es nicht zulässig ist, dann wäre die Schaffung einer solchen Reserve jetzt nicht rechtsstaatskonform.» Sekundiert wurde er von Stimmen aus dem linken Lager. «Aus staatspolitischen Gründen werde ich nie einer Rechnung zustimmen, die von der Finanzkontrolle als unzulässig bezeichnet worden ist», meinte Martina Munz (SP, Hallau). Und Susi Stühlinger (AL, Schaffhausen) monierte: «Der Rat legt die Gesetze aus, wie es ihm passt.»
Gereizt war die Stimmung da ohnehin schon, was sich auch in grundsätzlichen Voten zur Staatsrechnung niederschlug. Er hoffe, der «Alarmismus» der Bürgerlichen wegen klammer Kassen nehmen mit solchen Traumüberschüssen ein Ende, meinte Patrick Strasser (SP, Oberhallau) – und bekam von Christian Heydecker postwendend zu hören, dass es ja die Linke sei, die bei jedem der Sparprogramme der letzten Jahre «Kahlschlag!» gebrüllt habe. Eine «Fünfzunull-Klatsche» habe der bürgerliche Sparkurs allerdings vor einem Jahr an der Urne erhalten, konterte Freivogel. Walter Hotz (SVP, Schaffhausen) forderte im Gegenteil, dass neben der Reservebildung auch unbedingt eine strenge «Austeritätspolitik» im Ausgabenbereich gelten müsse. Stühlinger wiederum kündigte im Lichte der Überschüsse an, beim nächsten Budget «wieder an jene zu denken, die in den letzten Jahren einen beispiellosen Leistungsabbau schultern mussten».
Der Rückweisungsantrag in Sachen Reserve von Matthias Freivogel unterlag mit 11 zu 40 Stimmen. Dem Verwaltungsbericht und der Jahresrechnung 2016 inklusive der Schaffung der Millionenreserve des Kantons für schlechtere Zeiten erteilte das Parlament schliesslich seine deutliche Zustimmung.