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Hitzige Debatte um Schaffhauser Schulreform - Gegner beklagen das Ende der Dorfschule
Kantonale Abstimmung vom 8. Februar
Neue Zürcher Zeitung, 02.05.2009 von Caspar Heer
Im Kanton Schaffhausen wird am 8. Februar über eine umfassende Schulreform abgestimmt. Umstritten ist dabei vor allem die Einführung von gemeindeübergreifenden Schulverbänden.
Die gesetzlichen Grundlagen der Schaffhauser Schule stammen aus dem Jahr 1981. Seither haben sich die Bildungsbedürfnisse wie auch die Erwartungen der Gesellschaft an das Bildungswesen verändert. Darauf hat man in den vergangenen Jahren mit Schulversuchen und einzelnen Reformschritten wie beispielsweise der Einführung von Vormittags-Blockzeiten an den Primarschulen reagiert. Nun soll das ganze Bildungssystem mit einer umfassenden Reform neu ausgerichtet werden. Im Zentrum steht die Einführung von Schulleitungen, von bedarfsgerechten Tagesstrukturen sowie eines sonderpädagogischen Grundangebots, welches die Integration möglichst aller Kinder in die regulären Schulklassen ermöglichen soll. Solche Bildungsstrukturen gibt es da und dort bereits. Jetzt sollen sie flächendeckend eingeführt werden.
Rückläufige Schülerzahlen
Allerdings ist Bildungsdirektorin Rosmarie Widmer Gysel (svp.) überzeugt, dass kleinere und mittlere Gemeinden mit den Neuerungen überfordert wären. Der Hauptgrund ist die Bevölkerungsentwicklung. Die Einwohnerzahl im Kanton stagniert seit Jahren, und das Bundesamt für Statistik rechnet damit, dass die Schülerzahl im nächsten Jahrzehnt um rund 20 Prozent sinken wird - also fast doppelt so stark wie im Schweizer Durchschnitt. Schon heute liegt die Zahl der Primarschüler in 10 der 25 Gemeinden unter 50. Und für die Sekundarstufe schicken bereits heute 13 Gemeinden ihre Jugendlichen in die Nachbarorte. Zwar sind sie in sogenannten Kreisschulbehörden vertreten. Dort haben sie aber nur ein beschränktes Mitspracherecht und kaum Einfluss bei Investitionsentscheiden.
Neu sollen sich die Gemeinden deshalb zu Schulzweckverbänden zusammenschliessen, in denen allen die gleichen Mitwirkungsrechte zustehen. Anders als im Kanton Zürich bilden Primar- und Sekundarstufe eine Einheit mit einer Schulleitung (Rektorat) und mindestens 450 Schülerinnen und Schülern. Nur die Stadt Schaffhausen, Neuhausen, Beringen und Thayngen erreichen allerdings diese Grösse. Alle anderen Gemeinden müssten sich also in Schulzweckverbänden organisieren.
«Unübersichtlich und teuer»
Den Gegnern der Bildungsreform sind vor allem diese Gebilde ein Dorn im Auge. Damit würde eine bisher zentrale Aufgabe der Gemeinden an eine unübersichtliche, bürokratische und teure Organisationsstruktur übertragen, argumentieren sie. Die Schulreform sei ein Angriff auf die Gemeindeautonomie und läute das Ende der Dorfschule ein. Kritisiert wird zudem, dass das Schulwesen zunehmend zentralisiert und die Entscheidungsbefugnis der Regierung zulasten des Parlaments gestärkt werde. Gegen die Reform ins Feld geführt wird schliesslich das Argument, dass die zusätzlichen Kosten nicht direkt in Bildungsaufgaben fliessen. Tatsächlich ist die Bildungsreform nicht gratis zu haben: Auf 6 bis 7 Millionen, die je zur Hälfte von Kanton und Gemeinden zu tragen sind, schätzt die Regierung die jährlichen Mehrkosten - keine geringe Summe für den kleinen Kanton, dessen Einwohnerzahl gerade einmal ein Prozent der Schweiz ausmacht.
Uneinigkeit in allen Lagern
In der hitzigen Debatte um die Bildungsreform sind keine klaren Fronten auszumachen. Die offiziellen Vertreter der Lehrerschaft stehen der Vorlage kritisch gegenüber. Die Parteien der Linken, die SP, die Ökoliberalen und die Alternative Liste, haben die Nein-Parole herausgegeben. Auch die SVP lässt ihre Regierungsrätin im Regen stehen, während dieser die übrigen Bürgerlichen den Rücken stärken. Doch in allen Parteien wimmelt es von «Abweichlern». Das Lager der Gegner wird vom Freisinnigen Eduard Joos angeführt. Unter den Befürwortern finden sich Prominente wie der neue ökoliberale Stadtpräsident Thomas Feurer, SVP-Nationalrat Thomas Hurter und manch bekannter Name aus der SP. Dennoch dürfte es die Vorlage in der Volksabstimmung schwer haben - nicht zuletzt, weil sie so umfassend ist und damit auch viele Angriffspunkte bietet.