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Happy Birthday, Kammgarn - auf ein Neues
Schaffhauser Nachrichten, 11.12.2007 von Alfred Wüger
Die richtigen Beatles waren nie in Schaffhausen, die Beatles-Coverband ReCartney dagegen schon. Und alle «came together».
Mit einem rauschenden Fest voller Emotionen, Sensationen, interessanter Begegnungen, mit einem Fest voll Schall und Rauch gingen am Samstagabend in der grossen Kammgarnhalle wie auch im TapTab die Festivitäten zum 10-Jahr-Jubiläum der Kammgarn zu Ende. Begonnen hatte die grosse Geburtstagsparty mit einem Festanlass am 26. Oktober, wo sich unter anderem Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel als Rapperin präsentierte und am Schluss ihres Auftritts 50 000 Franken als Geburtstagsgeschenk überreichte. Die Überraschung war perfekt. Damit sind alle Schulden aus der Anfangszeit getilgt, damit ist aber auch die Pionierzeit zu Ende gegangen, und damit hat die Kammgarn ihre Unschuld verloren. Das Kulturzentrum gehört jetzt zu den etablierten Kulturbetrieben, es ist erwachsen geworden, mit allem, was das mit sich bringt.
Festprogramm mit vielen Highlights
Das Jubiläumsprogramm war ein ausserordentlich reichhaltiges und mit bekannten oder sogar berühmten Namen gespickt. Da war zunächst der amerikanische Gitarrist Mike Stern in der grossen Halle zu Gast, während am selben Abend im TapTab die Garage-Rock-Band «The Clowns» gastierte. Eine Woche später ging in der Kammgarn das Indie-Rock-Konzert mit der Gruppe «Redwood» über die Bühne, im TapTab gaben «Hermann Düne & Support» ein Folkkonzert. Tags darauf waren die Schweizer Rapper «Wurzel 5» sowie «TAFS» in der Kammgarn, am folgenden Samstag gab sich die britische Oldtimer-Pop-Band «The Sweet» die Ehre, und am Sonntagmorgen war Franz Hohler da. Ihn wollten 300 Leute sehen, obwohl die Organisatoren nur mit 150 gerechnet hatten, auch das Konzert von «The Sweet» war sehr gut besucht. Und die alten Herren genossen den Abend. Hausi Naef: «Die räkelten sich bis in die frühen Morgenstunden in den Sofas und vergnügten sich mit jungen weiblichen Fans.» Neben solchen hinsichtlich Publikumsaufmarsch sehr erfolgreichen Veranstaltungen gab es natürlich auch solche, die nicht gerade ausgebucht waren.
Das letzte lange Jubiläumswochenende zum Geburtstag begann am vergangenen Donnerstag mit «Les Trois Suisses», während im TapTab «Let 3» zugange waren. Die deutsche Funk-, Rock- und Soulband «Sorgente» war am Freitag, dem 9. November, zu hören, und zwar ebenfalls in einer mässig besetzten grossen Halle, während im TapTab eine interessante Jazzband, nämlich «The Hi-Fly Orchestra» und «Palko Muski», überzeugte.
Und dann war er bereits da: der grosse Schlussabend. Zunächst stand die Verleihung des Contempo-Preises auf dem Programm. Und um zehn Uhr war es dann so weit: Die deutsche Beatles-Coverband «ReCartney» betrat im schwarzen Original-Look der vier Pilzköpfe aus Liverpool die Bühne und spielte als Erstes «It`s been a hard day`s night». Eine solche Coverband ist etwas Eigentümliches, denn sie lebt viel mehr von der Nachahmung des Originals als von dessen Interpretation - man sah sich einer Art musikalischem Theaterspektakel ausgesetzt, mit einer Inszenierung der Beatles konfrontiert, die besonders in den Zwischenansagen etliche seltsame Aspekte hatte.
Von den Beatles direkt zum Rodeo
«Help!» erklang, und man sang aus vollem Halse mit: «I do appreciate your being round.» Besonders schön war, wenn man dabei jemandem in die Augen sehen konnte. ReCartney erwiesen sich als solide Instrumentalisten. Eigenartigerweise standen sie mit den Texten manchmal auf Kriegsfuss, hatten sie vergessen. Nach der Pause dann die Sergeant-Pepper-Uniformen, die die Musiker allerdings nach und nach wieder ablegten, um mit «Let it be» und dem alles überragenden «Come together» den Sack sozusagen zuzumachen. Wer danach noch Lust hatte, im TabTab vorbeizuschauen, kam in den Genuss eines äusserst amüsanten Spektakels: eines Bullriding-Contests, bei dem die Kandidaten und Kandidatinnen in der Regel bald vom Rücken des zuckenden Bullen in das einem Planschbecken ähnelnde Rodeo-Rund flogen. Ob dieser Anlass zum ersten Mal durchgeführt werde? «Nein, schon zum zweiten Mal», sagte die Schönheit mit dem Strohhut lachend. Will man nach dem reichhaltigen Programm der vergangenen rund zweieinhalb Wochen ein Resümee ziehen, wird man sagen: Man erlebte die ersten zehn Kammgarn-Jahre «in a nutshell». Von allem war etwas da. Hausi Naef: «Es waren sicher sehr viele Veranstaltungen. Die Grösse des Publikums kann man nie genau voraussehen. Finanziell rechne ich mit einer roten Null.» Gedeckt ist die durch die Defizitgarantie.
Nachgefragt
«Wieder mehr riskieren»
Der Präsident der IG-Kammgarn, Kurt Gallmann, war am Schlussabend der Jubiläumsfeierlichkeiten guter Dinge. Wir befragten ihn an der langen Theke.
Herr Gallmann, was ziehen Sie für ein Fazit, wenn Sie auf die vergangenen, sehr veranstaltungsreichen gut zwei Wochen zurückblicken?
Kurt Gallmann: Ein sehr positives. Ich bin sehr zufrieden. Es ist alles gut und erfolgreich gelaufen. Und wir haben unser Hauptziel erreicht: Wir sind präsent. Die Kammgarn ist nicht anonym.
Mit grosszügigen Beiträgen vom Kanton und von der Stadt sind die Schulden der Kammgarn auf einen Schlag getilgt worden. Was bedeutet das für die Zukunft des Kulturzentrums? Ja, wie geht es überhaupt weiter? Stehen bald neue Leute am Ruder?
Gallmann: Dieses Geld bedeutet vor allem, dass das wir den Rücken frei haben, um als Kulturveranstalter frei schalten und walten zu können. Das Bemühen wird sein, unser Programm in Zukunft abwechslungsreicher zu gestalten. Wir können jetzt mehr Segmente abdecken, auch wieder mehr riskieren, Ungewöhnliches organisieren. Was den Generationenwechsel betrifft, so möchte ich sagen, dass bereits jetzt viele Junge im Kulturbetrieb mitarbeiten, die nach und nach in die Führung hineinwachsen werden. Und besonders wichtig: Wer jetzt neue Verantwortung übernimmt, kann dies ohne jede Hypothek aus der Pionierzeit tun.
Interview: Alfred Wüger
Kurt Gallmann
Präsident IG Kammgarn «Die Grösse des Publikums kann man nie voraussehen. Finanziell rechne ich mit einer roten Null»
Hausi Naef
Mitglied der Geschäftsleitung Vebikus Antonio Idone und seine Kreditkarten
In einem Nebenraum des Vebikus, in einer regelrechten Oase der Stille, fertigte der Maler Antonio Idone künstlerische Kleinodien im Kreditkartenformat an. Mit flinker Hand und feinem Pinsel war er am Werk, zauberte ein- und mehrfarbige Impressionen aufs Papier. «Früher habe ich viel fotografiert», sagte er, «das Format der Negative der alten Filme hat mich auf die Kreditkartengrösse gebracht.» An den Wänden Werke von andern anwesenden Vebikus-Mitgliedern. Seit einem halben Jahr gibt es diesen auf Anfrage zu besuchenden Ausstellungsraum, wo sich am Samstagabend etliche inspirieren und zum Kauf von Idones impressionistischen Kreditkarten anregen liessen. Für rund dreissig Franken war man dabei. Idone: «Die Serie ist unendlich, und mein ganzes Leben, Schaffhausen und das Mittelmeer, meine Heimat, spiegeln sich darin.» (aw)
Contempo-Preis 2007 Miguel Camero aus Neuhausen hat ihn verdient
Der Contempo-Preis ist ein Förderpreis für junge Künstlerinnen und Künstler, und dieses Jahr hatte sich die Nominationsgruppe auf die so genannte Subkultur des Hip-Hop festgelegt. Zur Auswahl standen neben dem nunmehrigen Preisträger auch das Rap-Duo Lou & NJ sowie die Graffitikünstler Wildstyle, die auszuzeichnen «allerdings etwas schwierig gewesen wäre», wie Urs Fürer, Präsident Contempo, in seiner Ansprache sagte, «weil sich Sprayer an der Grenze zur Illegalität bewegen».
«Ggng-tschag-e-dugga-dnng-dnng»
Nachdem Laudator Cyrill Huber seine erfrischende und sehr persön- liche Rede mit den Worten: «Ich könnte noch viel mehr erzählen und bin doch froh, jetzt zum Ende zu kommen», geschlossen hatte, war die Reihe am Ausgezeichneten selbst, der einleitend sagte, er sei heute ganz speziell nervös, denn «wän ich da vobock, dänn nämed s mer de Priis grad wider wägg». Eine solch drakonische Mass-nahme wäre ohne Zweifel schmerzhaft, denn immerhin beträgt das Preisgeld 5000 Franken. Und dann legte Camero los. Und zwar mit einem Trompetensolo auf einer unsichtbaren Trompete. Das Beatboxing ist nämlich eine Kunstform, die - sieht man von einem Sampler ab - weit gehend ohne Instrumente auskommt. «Ggng-tschag-e-dugga-dnng-dnng» oder ähnlich klang es - Mouth Music und amüsante Geräuschimitationen, die, vielschichtig übereinander gelegt, kurzfristig eine Band vergessen machen können.
Hip-Hop auf dem eigenen Label
Camero hat einen ausgeprägten Hang zu kabarettistischen Einlagen und machte aus seiner Kostprobe am Contempo-Fest zum Schluss ein pantomimisches Pingpongspiel zwischen Mund und Samplingmaschine. Der Applaus war gross. Und verbockt hat Camero auch nichts. Die Zukunft sieht der seit elf Jahren bei der Post arbeitende neue Contempo-Preisträger in der Vermittlung seiner Hip-Hop-Kunst: und zwar auf dem eigenen Label.