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Grosser 'Brocken' Bildungsgesetz in Angriff genommen
1. Sitzung des Kantonsrates vom 14. Januar 2008 08 Uhr; Vorsitz: Jeanette Storrer (FDP, Schaffhausen)
Schleitheimer Bote, 15.01.2008 von Kurt Schönberger
An seiner ersten Sitzung im neuen Jahr hat der Kantonsrat gleich ein ganz gewichtiges Paket in Angriff genommen: die Beratung eines neuen Schul- und eines Bildungsgesetzes. Nach einer verhältnismässig kurzen Eintretensdebatte ist bereits die Detailberatung aufgenommen worden. Sie wird an der nächsten Sitzung weitergeführt. - Davor lehnte der Rat eine Motion zur Einreichung einer Standesinitiative betreffend Steuerbefreiung der Kinder- und Ausbildungszulagen ab.
Kantonsratspräsidentin Jeanette Storrer begrüsst namentlich den neuen Staatsschreiber Dr. Stephan Bilger, dann aber auch Schülerinnen und Schüler der 3. Sekundarklasse Wilchingen mit ihrem Lehrer Niklaus Sidler.
Dann wendet sich die neue Präsidentin mit einigen persönlichen Worten an den Rat. Sie freut sich, im laufenden Jahr den Vorsitz des Rates führen zu dürfen, dies sei für sie eine grosse Herausforderung und auch eine grosse Ehre. (Den vollen Wortlaut der beachtenswerten präsidialen Ansprache lesen Sie bitte in unserer Donnerstag-Ausgabe).
Keine Standesinitiative für die Steuerbefreiung der Kinder- und Ausbildungszulagen
Die Motion von Erna Weckerle (CVP, Schaffhausen) ist an der letzten Sitzung begründet worden. Mit dem Vorstoss soll der Regierungsrat eingeladen werden, beim Bund eine Standesinitiative einzureichen, die verlangt, das Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden so zu ändern, dass die Kinder- und Ausbildungszulagen steuerbefreit sind. - Der Regierungsrat lehnte die Motion ab. - Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen) zeigt auf, dass es gut und gerne zehn Jahre dauern würde, bis das Begehren der Motion realisiert werden könnte. 'Das bringt den Familien doch nichts!' Es gibt aber eine Alternative: das kantonale Steuergesetz. Dort könnte man die Familien entsprechend entlasten Die FDP jedenfalls wird sich stark machen dafür, dass die Kinderabzüge bei der nächsten Steuergesetzrevision erhöht werden. Die Motion ist abzulehnen. - Richard Mink (CVP, Ramsen) setzt sich für die Motion ein. Aus seiner Sicht gibt es durchaus berechtigte Gründe, das Anliegen mittels Standesinitiative nach Bern einzureichen. Die Stärkung der Familien ist derart wichtig, dass alles unternommen werden muss, dieses Ziel zu erreichen. - Göpf Werner (SVP, Beggingen) befürchtet im Vorschlag der CVP eine Grundlage für weitere Begehrlichkeiten auch auf anderen Ebenen. Mit Blick auf die anstehende Revision des Steuergesetzes und auch auf die für die Gemeinden dadurch entstehenden grossen Aufwändungen, dürfen wir uns nicht auf Zwischenspiele einlassen und müssen die Motion ablehnen. - Regula Widmer (ÖBS, Beringen) und ihre Fraktion anerkennen durchaus, dass aufgezeigte Weg eine Variante zur Entlastung der Familien sein könnte. Weil damit aber die hohen Einkommen überdurchschnittlich entlastet würden, wird die Mehrheit der Fraktion die Motion dennoch ablehnen. - Der Sprecher der SP, Markus Brütsch, gibt bekannt, seine Fraktion werde die Motion mehrheitlich unterstützen. Der Kanton Schaffhausen muss für Familien dringend attraktiver werden. - Florian Keller (AL, Schaffhausen) wird die Motion ablehnen. Als Gründe dafür nennt er zum einen die Logik des Steuergesetzes, nachdem alle Einkommen gleich besteuert werden sollen, zum anderen, weil damit auch Steuerpflichtige bevorzugt würden, die das gar nicht nötig hätten. - Gerold Meier (FDP, Dörflingen) spricht sich für die Steuergerechtigkeit und damit gegen die Motion aus.
In der Abstimmung wird die Motion mit 44:22 Stimmen abgelehnt.
Aufnahme der Beratungen zu einem neuen Bildungs- und Schulgesetz
Kommissionspräsident Thomas Hurter (SVP, Schaffhausen) bemerkt, mit der heutigen Vorlage werde wahrscheinlich eines der wichtigsten Geschäfte der ganzen Legislaturperiode in Angriff genommen. Das heute geltende Schulgesetz ist 26 Jahre alt. Dieses ist nicht mehr zeitgemäss. Schule und Gesellschaft haben sich stark verändert, dieser Tatsache ist Rechnung zu tragen. Wenn alles optimal läuft, kann die Volksabstimmung noch vor den Sommerferien 2008 stattfinden. Gelingt dies, könnten die neuen Gesetze auf Beginn des Schuljahres 2010/2011 in Kraft gesetzt werden. - Die Spezialkommission hat sich zu 16 Sitzungen getroffen. In einem speziellen Bericht wurden die Änderungen der Kommission dargestellt. Einige Punkte der neuen Gesetzgebung sind: Bildung von Schulverbänden; klar definierte Führungsstrukturen; flächendeckende Integration im Bereich der sonderpädagogischen Angebote; Einführung weitergehender Tagesstrukturen usw. - Die Umsetzungskosten der Vorlage betragen rund 1,8 Mio. Franken für den Kanton und auch für die Gemeinden. Für die geleiteten Schulen haben der Kanton ca. 2 Mio. und die Gemeinden ca. 2,4 Mio. Franken aufzuwenden. Da die Gemeinden bereits heute rund 1 Mio. für Schulleitungen ausgeben, reduziert sich der genannte Betrag entsprechend.
Kommissionspräsident Thomas Hurter thematisiert abschliessend noch zwei für ihn wichtige Punkte: Kleinere Schülerzahlen müssen es möglich machen, Schülerinnen und Schüler von einem Schulhaus zu einem anderen zu transferieren. Sodann spricht er der Wiedereinführung der Sekundarschulprüfung das Wort - etwas, das im vorliegenden Gesetz nicht enthalten ist. - Er appelliert an den Rat, den in der Kommission mühevoll erarbeiteten Kompromissen zum Wohle eines neuen Schulgesetzes zuzustimmen und sich nicht in Grabenkämpfen zu verlieren.
Voten aus den Fraktionen
Elisabeth Bührer (FDP, Thayngen) lobt vorerst die kompetente Begleitung der Kommissionsberatungen durch Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel und das Team des Erziehungsdepartementes. Für die Sprechende ist es wichtig und unabdingbar, die Eltern in Zukunft wieder vermehrt in die Verantwortung zu ziehen. Denn nur, wenn der Leistungsauftrag von allen ernst genommen wird, kann er letztlich auch erfolgreich sein. Zu einzelnen Punkten kündigt sie Anträge aus der FDP-Fraktion an. Namentlich wünscht sich diese eine ständige Bildungskommission. Kritisch bemerkt sie, dass die anvisierte Verschlankung des Gesetzes nicht erreicht worden ist. Sie empfiehlt Eintreten auf die Vorlagen. - Für Werner Bächtold (SP, Schaffhausen) war die Kommissionsarbeit ein eigentlicher 'Tanz auf dem hohen Seil'. Und doch ist es gelungen, mittels Kompromissen auf allen Seiten eine gute Lösung zu erarbeiten. Er spricht sich ebenfalls für eine ständige Bildungskommission aus. Die Bildung von neuen Schulverbänden löst nicht überall Begeisterung aus. Ebenso die neue Finanzierung. Herzstück des Schulgesetzes aus Sicht der SP ist die integrative Schulform. Die im Gesetz enthaltenen Vorgaben für die Tagesstrukturen bedeuten einen Quantensprung. Die SP-/AL-Fraktion tritt auf die Vorlagen ein, in der Diskussion wird sie aber einzelne Verbesserungsvorschläge einbringen. - Philipp Dörig (SVP, Merishausen) warnt, die Bildung der Kinder werde nicht primär vom Staat geprägt, sondern das ganze Umfeld der Jugendlichen nimmt dabei einen ganz wichtigen Teil ein. Die staatlich organisierte Bildung ist nur ein Teil des ganzen Systems. Der Sprechende kritisiert den Reformsturm im Bildungswesen mit Sachen, die mit dem Bildungswesen an sich nichts zu tun haben. Für Schülerinnen und Schüler bedeuten sie zuweilen Überforderung. Die staatliche Schule muss wieder zur Ruhe kommen. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen sich wieder vermehrt auf ihre ureigenste Aufgabe konzentrieren können. Die SVP-Fraktion wird auf die Vorlage eintreten, in der Detailberatung den einen oder anderen Antrag stellen. - René Schmidt (ÖBS, Schaffhausen) mahnt, der Kantonsrat trage eine grosse Verantwortung für die Zukunft der Schule. Er ist überzeugt, dass mit den neuen Gesetzen gute Vorgaben gemacht werden können. Auf neue gesellschaftliche Entwicklungen mit neuen Modellen des Zusammenlebens müssen wir Antworten haben. Die Schule ist aber auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Elternhaus angewiesen. Wichtig für den Sprechenden ist, dass die Dörfer ihre Primarschulen auch in Zukunft behalten dürfen. Die Fraktion wird auf die Vorlagen eintreten.
Einbezug der Gemeinden dringend notwendig
Hans Schwaninger (SVP, Guntmadingen) spricht als Vertreter einer kleinen Gemeinde und hier zur Frage der Schulorganisation. Die Absicht der Kommission, einen Schulverband als übergeordnetes Gremium einzusetzen, ohne Einbezug der Gemeinden bzw. der Schulbehörden, kann so nicht toleriert werden. Er wird in der Detailberatung entsprechend Antrag stellen. - Gerold Meier (FDP, Dörflingen): Die Kinder sind das Wichtigste in der Schule - das sieht man dem Gesetz aber nicht an. Er hat schriftlich den Antrag gestellt, die beiden Gesetzesvorlagen zu einem einzigen Werk zusammenzuführen. - Die Kommission wird sich damit befassen. - Iren Eichenberger (ÖBS, Schaffhausen) ortet im Bildungswesen einige Stolpersteine, die bei der Gesetzgebung auch noch berücksichtigt werden müssen. Zum Beispiel: Integration, Förderung von schwachen Schülern usw. - Und Eduard Joos (FDP, Schaffhausen) vermisst im neuen Gesetz die Bildungsinhalte. Mindestens soll gesetzlich festgelegt werden, wer dafür zuständig ist. - Regula Widmer (ÖBS, Beringen) empfindet viele Artikel im neuen Gesetz als zu unverbindlich. Einen speziellen Mangel erkennt sie zum Beispiel bei der neuen Organisation der Schule. - Demgegenüber verteidigt Christian Amsler (FDP, Stetten) die vorgesehenen neuen Führungsstrukturen mit den geleiteten Schulen. - Sabine Spross (SP, Schaffhausen) tritt dafür ein, die heute noch geltenden Bestimmungen verschiedener Dekrete ebenfalls in das Schulgesetz aufzunehmen. - Kommissionspräsident Thomas Hurter stellt nimmt diesen Wunsch zuhanden der Kommissionsberatungen entgegen.
Dann ergreift die zuständige Vorsteherin des Erziehungsdepartementes, Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel, das Wort. Sie stellt unter anderem fest, dass heute die Schülerzahlen in verschiedenen Dörfern unter der optimalen Grösse liegen würden. Allein dies rechtfertigt das Modell der Verbandsgemeinden. Aber: die Schule soll so nahe wie möglich bei der Wohnortsgemeinde bleiben. Gemeinsam findet man die bessere Lösung als jede Gemeinde für sich alleine. Wir dürfen nicht darauf warten, bis eine Gemeinde nach der anderen ihre Schule schliessen muss.
Dann geht es in die Detailberatung.
Regula Widmer (ÖBS, Beringen) spricht zur 'Prävention'. Sie will den Kanton dazu verpflichten, die Gesundheitsförderung ganzheitlich zu fördern. Alleine die Absicht zur Förderung dieses Anliegens geht ihr zu wenig weit. Sie stellt entsprechend Antrag. - Der Rat lehnt diesen mit 50:12 Stimmen ab.
Aufnahme einer 'ständigen Bildungskommission'
Sehr umstritten ist dann der Artikel, welcher 'den Bildungsrat' regelt. Eine ständige Bildungskommission soll in der Geschäftsordnung des Kantonrates geregelt werden, im Bildungsgesetz ist dafür nichts vorgesehen. Für den Fall, dass Ersteres nicht geschehen wird, stellt Regula Widmer (ÖBS, Beringen) einen Eventualantrag, die Einbindung des Bildungsrates sei im Bildungsgesetz zu regeln. - Stephan Rawyler (FDP, Neuhausen) stellt Antrag, eine 'ständige Bildungskommission' sei ins Bildungsgesetz aufzunehmen. - Diesem stimmt der Rat mit 59:1 Stimmen zu. - Mehrere Wortmeldungen gibt es zur 'Zuständigkeit für den Erlass von Verordnungen'. Der Rat stimmt einem Streichungsantrag von Gerold Meier zu. - An dieser Stelle werden die Beratungen abgebrochen. Sie werden an der nächsten Sitzung weitergeführt.