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Geberkantone sollen entlastet werden
Schaffhauser Nachrichten, 03.11.2015 von vbu
Beim Finanzausgleich will der Nationalrat den Geberkantonen entgegenkommen: Diese sollen in der Periode 2016 bis 2019 rund 134 Millionen Franken pro Jahr weniger einzahlen als bisher.
Seit Jahren beschweren sich die Geberkantone über die in ihren Augen zu hohen Beiträge für den Nationalen Finanzausgleich (NFA). Vor allem die Zahlungen für den Ressourcenausgleich, den mit Abstand grössten Topf (siehe dazu Kasten), stossen auf Kritik. Allein dieses Jahr zahlen die neun Geberkantone darunter auch Schaffhausen 1,552 Milliarden Franken ein, weitere 2,273 Milliarden Franken steuert der Bund bei.
Bislang verhinderten die Vertreter der 17 Empfängerkantone eine Reform des NFA im Parlament. Jetzt will aber zumindest der Nationalrat den Gebern einen Schritt entgegenkommen. Für die Periode 2016 bis 2019 sollen die Kantonsbeiträge um 134 Millionen Franken pro Jahr und die Bundesbeiträge um 196 Millionen Franken gesenkt werden. Dies entspricht einem Vorschlag des Bundesrates. Begründet hatte die Regierung die Zahlen mit dem im Gesetz festgeschriebenen Ziel des NFA. Demnach sollen sich die finanziellen Ressourcen eines Kantons auf mindestens 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts belaufen. Die ressourcenschwachen Kantone könnten dies auch mit den tieferen Beiträgen erreichen, zeigte sich der Bundesrat überzeugt.
«Bereitschaft nicht strapazieren»
«Die Anpassungen sind vertretbar», sagte auch Albert Vitali (LU) im Namen einer Mehrheit der FDP-Fraktion. Man könne nicht ein Ziel vereinbaren und keine Konsequenzen ziehen, wenn dieses erreicht sei. Die Bereitschaft der Geberkantone werde so strapaziert, sagte Vitali, der mit Luzern selbst einen Nehmerkanton vertritt. Der NFA solle keine Bereicherung auf dem Buckel der ressourcenstarken Kantone sein, sagte auch SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (GE). Jeder Kanton solle den Zielwert erreichen, mehr nicht. Gegen die Reduktion wehrte sich unter anderem die Berner SP-Nationalrätin Margret Kiener Nellen. Die 85 Prozent seien ein Mindestziel. Man könne jetzt nicht die Beiträge senken und das Risiko auf sich nehmen, dass einige Kantone in den nächsten vier Jahren unter diese Grenze fielen. Mit einer Reduktion würden neue Ungleichheiten gefördert, statt dass diese abgeschwächt würden, warnte CVP-Nationalrat Jean-Paul Gschwind (JU). Starke Kantone würden noch stärker, schwache noch schwächer. Der Nationalrat stimmte der Änderung im Sinne des Bundesrates dennoch mit 101 zu 88 Stimmen zu. Der Ständerat hatte sich in der Wintersession noch gegen eine Senkung der Beiträge ausgesprochen. Anders als gestern in der grossen Kammer hatten die meisten Vertreter im Stöckli im Sinne ihrer Kantone entschieden.
Lastenausgleich: Keine Anpassung
Mehrere Anträge für Anpassungen beim Lastenausgleich blieben derweil erfolglos. Die Mehrheit der vorbehandelnden Kommission hatte gefordert, der Bund solle die beim Ressourcenausgleich gemachten Einsparungen von 196 Millionen Franken zusätzlich in den soziodemografischen Lastenausgleich einzahlen, mit dem urbane Zentren für ihre Mehrbelastung entschädigt werden. Dieser Antrag scheiterte knapp mit 93 zu 94 Stimmen. Weiter wollte eine Kommissionsminderheit 73 Millionen Franken vom geografischtopografischen Lastenausgleich in den soziodemografischen Lastenausgleich umverteilen. Damit wären die Zentrumskantone bessergestellt worden, die Gebirgskantone schlechter. Mit der Umverteilung solle den gestiegenen Lasten der Kernstädte Rechnung getragen werden, sagte der Nationalrat Daniel Vischer (Grüne/ZH) im Namen der Minderheit. Der Antrag scheiterte mit 85 zu 101 Stimmen. In der Gesamtabstimmung stimmten 139 Nationalräte der Vorlage zu bei einer Gegenstimme und 46 Enthaltungen. Das Geschäft geht nun zurück an den Ständerat.
Standesinitiativen scheitern
Zusammen mit der Vorlage zum NFA wurden gestern im Nationalrat verschiedene thematisch verwandte Vorstösse behandelt. Sie waren jedoch allesamt erfolglos. So hatte etwa der Kanton Waadt in einer Standesinitiative gefordert, dass die Zentrumslasten der grösseren Städte besser berücksichtigt werden sollten und ein Indikator der kantonalen Steuerbelastungen eingeführt werden soll. Vor allem dieser Steuerindikator stiess auf Kritik. Damit wäre nicht mehr das Ressourcenpotenzial, sondern wären die tatsächlichen Steuereinnahmen ausschlaggebend, warnten mehrere Redner. Auch Standesinitiativen aus Nidwalden und Schwyz gab der Nationalrat keine Folge. Nidwalden hatte eine Änderung der Berechnungsgrundlage für Kantonsbeiträge gefordert. Schwyz wollte, dass ressourcenschwache Kantone, welche die Mindestausstattung bereits vor dem Ausgleich erreichen, keine finanziellen Mittel mehr erhalten. Deutlich versenkte der Nationalrat auch eine Petition der FDP Zug, die beim NFA eine Obergrenze von 2000 Franken pro Einwohner einführen wollte. Im Zusammenhang mit dem nächsten NFA-Wirksamkeitsbericht fordert der Nationalrat vom Bundesrat aber zwei Überprüfungen. So soll die Regierung untersuchen, ob das Einkommen von Grenzgängern im Ressourcenpotenzial neu mit 50 statt wie bis anhin mit 75 Prozent zu berücksichtigen ist. Zudem soll der Bundesrat für jede Verbundaufgabe darlegen, ob diese allein den Kantonen oder dem Bund übertragen wird oder ob sie weiterhin gemeinsam erfüllt werden soll. (sda/vbu)
Kanton Schaffhausen Rund 200 000 Franken pro Jahr könnten eingespart werden
Schaffhausen Setzt sich der Nationalrat gegen den Ständerat durch, hat der Kanton Schaffhausen Grund zur Freude: Er muss dann nämlich zwischen 2016 und 2019 rund 200 000 Franken pro Jahr weniger in den NFA einbezahlen. Das entspricht einer Entlastung von 2.50 Franken pro Kopf, wie Finanzdirektorin Rosmarie Widmer Gysel auf Anfrage der «Schaffhauser Nachrichten» erklärt. Selbst dann ist das Thema für Widmer Gysel aber noch nicht vom Tisch: «Es gilt, den Finanzausgleich weiterhin im Auge zu behalten, insbesondere im Zusammenhang mit der Unternehmenssteuerreform III werden die nächsten Anpassungen notwendig werden.»
Dennoch zeigt sich der Schaffhauser Regierungsrat grundsätzlich erfreut darüber, dass der Nationalrat gestern dem Antrag des Bundesrates gefolgt ist und sich für eine Senkung der Beiträge an den NFA ausgesprochen hat. Das Stichwort Solidarität mit den finanziell schwächeren Kantonen sei zwar wichtig, sagt die Schaffhauser Finanzdirektorin. «Solidarität muss jedoch auch umkehrt gelten, und der NFA ist ein Werk der Solidarität, das nicht überstrapaziert werden darf.» (vbu)
Finanzausgleich (NFA) Wie er funktioniert
Zweck Der aktuelle Finanzausgleich (NFA) ist seit 2008 in Kraft und soll Ungleichheiten zwischen finanziell gut aufgestellten und weniger gut aufgestellten Kantonen mindern. Es gibt drei NFA-Gefässe (wie folgt). Ressourcenausgleich Der grösste Topf des NFA basiert auf dem Ressourcenpotenzial der Kantone. Dieses ergibt sich aus dem Steuerpotenzial. Lastenausgleich Der zweite NFA-Topf soll unverschuldete und nicht beeinflussbare Lasten der Kantone abgelten. So entstehen etwa den Zentrumskantonen höhere Kosten, weil dort tendenziell mehr ältere und sozial schwache Personen leben. Die Gebirgskantone tragen wiederum höhere Kosten etwa beim Winterdienst. Unterschieden werden hier der geografischtopografische und der soziodemografische Lastenausgleich. Härteausgleich Der dritte Topf ist auf maximal 28 Jahre begrenzt und soll ressourcenschwachen Kantonen die Umstellung auf das System ab 2008 erleichtern. Wirksamkeitsbericht Alle vier Jahre legt der Bundesrat dem Parlament einen Bericht über die Wirksamkeit des NFA vor. Anhand dessen werden Massnahmen zur Anpassung beschlossen. Geberkantone Neun Kantone zahlen derzeit in den Finanzausgleich ein: Schaffhausen, Zürich, Genf, Zug, Waadt, Schwyz, Nidwalden und die beiden Basel.