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«Freelance»: Ein Gegengift gegen Drogen
Schaffhauser Nachrichten, 03.12.2008 von Erwin Künzi
Mit «Freelance» wird den Lehrkräften im Kanton ein voll ausgearbeitetes Programm zur Verfügung gestellt, das im Unterricht bei der Suchtprävention eingesetzt werden kann.
Der Konsum von legalen und illegalen Drogen durch Jugendliche hat in den letzten Tagen immer wieder für Schlagzeilen gesorgt, gesamtschweizerisch, aber auch im Kanton Schaffhausen. So berichtete etwa am 29. Februar die Schaffhauser Polizei, bei den bis 24-Jährigen hätten im Jahr 2007 die Betäubungsmitteldelikte, wozu auch der Konsum gehört, gegenüber dem Vorjahr um 57 Prozent zugenommen (siehe SN vom 1. März). Und kürzlich sagte ein Arzt des Kantonsspitals den SN: «Pro Wochenende werden ein bis zwei Jugendliche mit einer Alkoholvergiftung in das Spital eingeliefert» (SN vom 6. März). Zwar nicht alle, aber doch zu viele Jugendliche haben heute Probleme mit Drogen. Prävention tut not, und dazu will ein neues Programm, das gestern den Medien vorgestellt wurde, seinen Beitrag leisten.
Tabak, Alkohol und Cannabis
Dieses Programm nennt sich «Freelance» und soll im Schulunterricht zum Einsatz kommen. Es befasst sich mit dem Missbrauch von Tabak, Alkohol und Cannabis und ist in drei Teile gegliedert (siehe Kasten auf dieser Seite). Es richtet sich an 12- bis 16-jährige Schülerinnen und Schüler, die die Sekundarstufe I oder eine weiterführende Schule, etwa die Kantonsschule, besuchen. Den Lehrkräften wird, erklärte Erich Bucher von der Suchtprävention und Drogenberatung Schaffhausen, ein Suchtpräventionsprogramm zu Verfügung gestellt, das didaktisch, fachlich und methodisch aufbereitet worden ist. Es kann während einer ganzen Lektion, aber auch nur während fünf bis zehn Minuten einer Lektion eingesetzt werden.
Ziel von «Freelance» ist es zuerst einmal, den Jugendlichen Informationen und Wissen über die einzelnen Drogen zu vermitteln. Ebenso wichtig aber ist, dass sie dafür sensibilisiert werden, was vor dem Drogenkonsum in einer Gruppe abläuft - nur wer mitmacht, gehört dazu - und wie man sich diesen gruppendynamischen Prozessen entziehen kann. Das gelingt nur, wenn ein Jugendlicher ein genügend grosses Selbstwertgefühl besitzt, um eben auch nein sagen zu können, eine eigene Haltung gegenüber Drogen entwickelt und lernt, was gut für ihn ist und was nicht.
Ostschweizer Kantone gemeinsam
Erarbeitet wurde «Freelance» von der Vereinigung der kantonalen Beauftragten für Gesundheitsförderung in der Ostschweiz. Neben dem Kanton Schaffhausen beteiligten sich auch die Kantone St. Gallen, Graubünden und Thurgau sowie das Fürstentum Liechtenstein an dem Programm. Sie tragen auch die Kosten in Höhe von 265 000 Franken, wovon rund 12000 Franken auf den Kanton Schaffhausen entfallen. «Freelance» soll ab dem Schuljahr 2008/09 zum Einsatz kommen, wobei es den einzelnen Lehrpersonen überlassen bleibt, ob sie von diesem Angebot Gebrauch machen wollen. Bisher wurde «Freelance» an Lehrerkonferenzenen und in einem Rundschreiben an alle Lehrkräfte, die dafür in Frage kommen, vorgestellt. Offeriert wird auch ein regionaler Support durch die Suchtprävention und die Drogenberatung. Die Anmeldefrist läuft bis Ende März.
«Pfannenfertiges» Programm
Bis jetzt haben sich aber erst acht Lehrkräfte für das Programm interessiert. Dass es noch mehr werden, davon zeigte sich gestern Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel überzeugt. Zwar liege auch hier die Verantwortung in erster Linie bei den Eltern, aber damit sei noch nichts erreicht. Auch die Schule trage eine Verantwortung, und deshalb sei die Suchtprävention Teil des Lehrplans, einerseits beim Fach «Mensch und Umwelt», andrerseits beim fächerübegreifenden Unterricht. «Freelance» habe den grossen Vorteil, so Widmer Gysel, dass es sich dabei um gut aufbereitete Unterrichtsmaterialien handle, die den Lehrkräften «pfannenfertig» zur Verfügung gestellt würden und die sich auch sehr gut für Projekttage oder -wochen eignen würden. «Ich bin davon überzeugt, dass dieses nachhaltige Programm dazu führt, dass Jugendliche sich vor Drogen schützen können», erklärte Widmer Gysel, die auch die Zusammenarbeit unter den beteiligten Kantonen lobte, von der ein kleiner Kanton wie Schaffhausen stark habe profitieren können.
Lehrkräfte überzeugen
Auf die Frage, wie sie die Lehrkräfte dazu bringen wolle, «Freelance» im Unterricht anzuwenden, betonte Widmer Gysel zuerst einmal, die Lehrkräfte seien in ihrem Entscheid frei. Hier etwas von oben anzuordnen bringe gar nichts: «Der Lehrer oder die Lehrerin muss persönlich vom Programm überzeugt sein, damit es auch im Unterricht eingesetzt wird.» In den nächsten Tagen werden alle Schulhäuser angeschrieben, in denen Schülerinnen und Schüler der angepeilten Altersklasse unterrichtet werden. Die Lehrenden werden aufgefordert, bei «Freelance» mitzumachen. Trotzdem könnte es einige Zeit dauern, bis «Freelance», das alle zwei Jahre erneuert und ausgebaut werden soll, von den Lehrpersonen akzeptiert werde. «Aus meiner Erfahrung weiss ich, dass viele zuerst einmal abwarten, ob es sich bewährt. Ist das der Fall, wird es rasch weitere Kreise ziehen», meinte Widmer Gysel.
Spielraum bei der Anwendung
Und «Freelance» hat noch einen Vorteil, sagte Erich Bucher: «Das Programm bietet der Lehrkraft einiges an Spielraum; sie kann entscheiden, was sie wann in welcher Klasse einsetzen will.» Ein gutes Echo hat «Freelance» bereits in den anderen Kantonen gefunden: Dort wurde für den Start mit rund 100 Anmeldungen gerechnet. Tatsächlich sind es aber bis heute schon 250, Tendenz steigend. Und vielleicht kommen auch noch einige Anmeldungen aus dem Kanton Schaffhausen dazu, wenn wieder Schlagzeilen wie «Schon 13-Jährige landen im Spital (wegen Alkohol)» in der Öffentlichkeit Aufsehen und Besorgnis erregen.