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«Es braucht Büezer und Akademiker»
Schaffhauser Nachrichten, 22.08.2013 von Sidonia Küpfer
Armeechef André Blattmann warb gestern in der Ratshauslaube für die Wehrpflicht und erklärte, warum er nicht einfach die Soldaten möchte, die sowieso kommen.
Er sei nicht als Politiker gekommen, sagte Armeechef André Blattmann gestern Abend in der Rathauslaube. «Doch Sie können sich sicher vorstellen, auf welcher Seite ich stehe», fügte er im Hinblick auf die eidgenössische Abstimmung vom 22. September hinzu, an der über die Initiative der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA) zur Aufhebung der Wehrpflicht beschlossen wird. Auf Einladung des Kantonalen Offizierskorps und des Schaffhauser Komitees «Nein zur Unsicherheitsinitiative» hielt der Korpskommandant ein Referat über die Schweizer Milizarmee.
Blattmann hatte in mehrfacher Hinsicht ein Heimspiel: Zum einen, weil er, wie er sagte, enge Bande nach Schaffhausen habe durch seine Zeit bei der Felddivision 6, Zürich/Schaffhausen. «Es tut gut, bei Ihnen zu sein», sagte er und begrüsste im Publikum auch einige Kollegen, die mit ihm gemeinsam Dienst geleistet hatten. Zum anderen war es aber auch ein Heimspiel, weil ihm die knapp 50 Anwesenden mehrheitlich wohlgesinnt waren und die Initianten nicht eingeladen waren. Nur beim Eingang traf Blattmann auf eine Ein-Mann-Gegendemonstration – man habe sich freundlich begrüsst, gut schweizerisch eben, erklärte der Armeechef. Grundsätzlich finde er es gut, dass man in der Schweiz einen Vorschlag wie die Aufhebung der Wehrpflicht mache und dass die Bevölkerung dann darüber abstimmen könne: «Nutzen wir die Chance, der Bevölkerung zu erklären, was Sicherheit ist und wofür es die Armee braucht», forderte er. Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel hatte bereits zuvor die Anwesenden begrüsst und ein erstes Plädoyer für das Festhalten an der Wehrpflicht gehalten. Der Schaffhauser Regierungsrat setze sich dafür ein, dass die Sicherheit der Bevölkerung auch künftig nicht gefährdet werde, erklärte sie und kritisierte: «Das Initiativkomitee verschliesst die Augen vor den Bedrohungen für die Schweiz und unseren Kanton.» Um mögliche Bedrohungen drehte sich ein grosser Teil von Blattmanns Referat. Wenn man die Bedrohung der Sicherheit verstehe, müsse man in der Regel nicht mehr gross erklären, warum es die Armee brauche, argumentierte er. Wobei gerade in Schaffhausen der Wert der Sicherheit noch stärker präsent sei als anderswo in der Schweiz, fügte er unter Hinweis auf das Bombardement der Stadt vom 1. April 1944 hinzu, bei dem 40 Menschen ihr Leben verloren. Blattmann sagte, dass in Europa aktuell aufgrund der Finanzkrise zwar kaum Geld für Rüstung ausgegeben werde, dass aber weltweit ein enormes Aufrüsten im Gang sei. Und dass Europa weniger Geld fürs Militär ausgebe, könne auch zu einem destabilisierenden Faktor werden. Da sei eine Rückkehr zum Nationalismus möglich, und damit könnten auch zwischenstaatliche Konflikte wieder ein Thema werden. Als grösste Bedrohung bezeichnete Blattmann aber den Cyberkrieg, also die Angriffe via Computer auf Schweizer Infrastruktur. Auf diesem Gebiet sei die Armee wohl am weitesten fortgeschritten. Gefahr könne der Schweiz auch durch Katastrophen drohen. Blattmann nannte den Sturm Sandy, der in weiten Teilen der Stadt New York zu Stromausfällen geführt hatte, als Beispiel. Mit einem Video zeigte er, wie anfällig die heutige Gesellschaft ist, wenn man ihr den Strom für eine Woche abdreht. Und Blattmann kam zu Schluss: «Wer auf die Idee kommt, es gebe keine Risiken, ist nicht ehrlich.»
«Möchte Schweizer Durchschnitt»
Unerwartet offen nahm der Armeechef Stellung zur Wehrpflicht: «Begeistert muss man nicht sein, das waren wir alle nicht», sagte er über den Einsatz für die Armee. Wenn jemand sage, er sei total begeistert, dass er ins Militär gehen könne, dann werde er vorsichtig. «Ich möchte nicht einfach die, die sowieso kommen», ergänzte er. Das seien oft Söldner oder Rambos, die es lässig fänden, wenn sie schiessen dürften. «Ich möchte den Schweizer Durchschnitt. Es braucht den Büezer und den Akademiker.» Und Blattmann zeigte auf, wie sich die Armee seiner Meinung nach weiterentwickeln müsse. «Ich habe es satt, zu hören, dass jemand in einem WK nichts zu tun hatte. Das ist unfair gegenüber den Soldaten und gegenüber den Unternehmen, die auf ihre Angestellten verzichten.» Deshalb befürworte er es, dass WK künftig nur noch zwei Wochen dauerten, dafür aber straff organisiert sein sollten. Schliesslich nahm der Armeechef auch Stellung zum Artikel «Panzerfaust» im letzten Magazin des «Tages-Anzeigers», in dem ein Rekrut massive Demütigungen durch seinen Vorgesetzten schildert. «Ich habe mich darüber geärgert, weil man so tut, als wäre es so in der Armee», sagte Blattmann. Solche Fälle würden geahndet. Er lege Wert darauf, dass mit den Untergebenen in anständigem Ton gesprochen werde. «Unsere Soldaten muss man nicht anschreien», sagte Blattmann. Er habe das auch im Armeeführungsrapport nochmals thematisiert.