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«Einfach Rosmarie»
Interview zum Abschied von Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel
Schaffhauser Bock, 04.03.2018 von Interview Ramona Pfund
Am Donnerstag gab die Schaffhauser Finanzdirektorin ihr Amt ab. Dem «Bock» beantwortete Rosmarie Widmer Gysel Fragen, die selten gestellt wurden.
Bock: Frau Widmer Gysel, vergangene Woche hatten Sie Ihren letzten Arbeitstag als Finanzdirektorin. Haben Sie Ihren Schreibtisch-Kaktus mit nach Hause genommen?
Rosmarie Widmer Gysel: Einen Kaktus hatte ich nie, aber grün war es immer. Die grossen Pflanzen sind bereits seit längerem zu Hause, denn ich habe frühzeitig mit dem Aufräumen begonnen. Nach acht Jahren hatte ich den halben Haushalt hier im Waldhaus, man lebt ja fast in diesem Büro.
Wie ist das eigentlich, im Waldhaus oben beim Spital zu sein, während alle Ratskollegen in der Stadt sind?
Widmer Gysel: Am Anfang hatte ich grosse Mühe, da ich die ersten fünf Jahre als Erziehungsdirektorin vom Herrenacker aus in 90 Sekunden überall in der Stadt war. Im Waldhaus musste ich mindestens eine Viertelstunde früher aus dem Büro raus, damit ich zur Zeit im Rathaus in der Stadt war. Aber man gewöhnt sich natürlich daran. Das Klima ist im Waldhaus mitten in den Bäumen allerdings tausendmal besser. Zudem ist fast mein ganzes Departement hier versammelt. Das hat grosse Vorteile.
Im Regierungsrat wird man nicht eingearbeitet. Wird Ihre Nachfolgerin Cornelia Stamm Hurter also ins kalte Wasser geworfen?
Widmer Gysel: Eigentlich schon ein wenig. Aber die Fäden laufen ja bei der Departementssekretärin zusammen. Zudem koordinieren die Dienststellenleiter die Geschäfte und steuern die Projekte. Das sind die Leute, die meine Nachfolgerin ebenfalls massgeblich unterstützen werden. Trotzdem war es mir wichtig, ihr pendente Geschäfte wie beispielsweise das Polizeigesetz, die Finanzierungsentflechtung oder die Steuervorlage 17 (SV17) mit persönlichen Informationen zu übergeben. Und natürlich auch meine Empfehlungen – im Wissen darum, dass sie selbst entscheiden wird.
Wie anstrengend ist es eigentlich, sich selbst unter der ständigen Beobachtung durch das Volk immer unter Kontrolle zu haben?
Widmer Gysel: Für mich ist es ein riesiges Glück, dass wir in Wilchingen wohnen. Dort und im ganzen unteren Chläggi bin ich nach wie vor einfach Rosmarie. Das geniesse ich sehr, denn dort kann ich problemlos in kurzen Hosen und Crocs in der Landi einkaufen gehen, ohne mir zu überlegen, ob meine Frisur gerade sitzt.
Trotzdem bedeutet das Amt, immer unter Spannung zu stehen – oder existierte für Sie das Gefühl der totalen Entspannung?
Widmer Gysel: Latent ist man immer ein wenig auf Draht. Ich habe zwar meine Ferien immer bezogen und konnte in den Bergen runterfahren, entspannen und über viele Dinge nachdenken. Aber als Privatperson hatte ich den Kopf dennoch immer zu mehr als 50 Prozent bei der Arbeit. Mich hat es nicht belastet, aber mein Umfeld hat sicher schwer mitgetragen.
Wie gehen Sie nun mit der neuen Situation nach 13 Jahren immer auf Draht um?
Widmer Gysel: Das wird spannend, manchmal macht mich der Gedanke schon ein bisschen nervös. Die mentale Vorbereitung war, alles aufzuräumen und abzuschliessen. Nun gehen wir gleich zwei Wochen in die Skiferien, das ist gut für mich. Ich hoffe, dass ich danach vom Wetter her im Garten und in die Reben arbeiten kann. Mit allem anderen wird man sich neu arrangieren müssen – es ist ja auch für meinen Mann eine Umstellung. Mandate oder neue Aufgaben habe ich aber bewusst keine angenommen. Natürlich werde ich wieder irgendwie aktiv werden, aber es pressiert überhaupt nicht.
Zurück zur Politik: Dort sind die Wege teilweise sehr lange. Wird man dabei nicht fast wahnsinnig, wenn man aus der Privatwirtschaft kommt wie Sie?
Widmer Gysel: Doch. Das ist auch der grösste Unterschied zur Privatwirtschaft: Man ist ein Stück weit den politischen Prozessen ausgeliefert, die man irgendwann nicht mehr selbst beeinflussen kann. Vor allem wenn man ein konkretes Ziel vor Augen hat, braucht es eine gewisse Flexibilität und Geduld.
Gärtnerin, Headhunterin, Frau Oberst, Regierungsrätin – schlummern da vier verschiedene Rosmaries in Ihnen drin?
Widmer Gysel: Nein, das ist letztlich immer die gleiche Rosmarie, aber verteilt auf mehr als 40 Jahre. Es war nicht immer alles schön gradlinig und von Anfang an geplant. Oft war da der richtige Moment und ein bisschen Glück. Es hatte aber immer alles seine Logik, vielleicht nicht für alle Aussenstehenden, aber für mich.
Stand das – zugespitzt gesagt – klassiche SVP-Bild einer Frau als Hausfrau und Mutter für Sie nie zur Diskussion?
Widmer Gysel: In meiner Entwicklung kam diese Rolle nie ernsthaft in Frage. Ich könnte mir das auch rückblickend ehrlich gesagt nicht vorstellen. Als ich meinen Mann Georg kennengelernt habe, bekam ich die Chance, eine fertige Familie zu heiraten. Wir haben das grosse Glück, dass wir mit den Kindern und Enkelkindern ein wirklich tolles Verhältnis haben.
Hatten Sie irgendwann den Gedanken, die Partei zu wechseln?
Widmer Gysel: Nein, aber die Partei stand bei mir auch nie im Vordergrund. Mein Interesse war, mit einem Engagement etwas Positives für die Gesellschaft und für das Zusammenleben bewirken zu können. Wenn ich zurückdenke an meine Jugend, als ich unter anderem das rote Mao-Büchlein intensiv studierte, war die SVP überhaupt nicht vorprogrammiert. Das Grundinteresse am politischen System war aber immer vorhanden.
Wie sehen Sie die eher polemische Entwicklung der Partei in den letzten Jahren?
Widmer Gysel: Früher habe ich mich stark für die Partei engagiert, war im Vorstand der kantonalen sowie der nationalen Partei und wir konnten viel Positives bewirken. Mein persönlicher Eindruck ist, dass heute bei der SVP nicht mehr die gleiche Grundhaltung herrscht. Es gab schon Anfang der 1990er-Jahre Reibungspunkte, da ich schon immer meine eigene Meinung vertreten und nicht alle Ideen und Initiativen mitgetragen habe. Als Regierungsrätin hatte ich aber eine andere Aufgabe und war nicht in erster Linie der Partei verpflichtet.
Eine letzte Frage: Wie gross wird die Abschiedsparty und kann man als Finanzdirektorin hinter diesen Kosten stehen?
Widmer Gysel: (lacht) Ja, hinter diesen Kosten kann ich stehen. Es gab ein traditionelles Abschiedsessen mit den Ratskollegen. Wie allen Mitarbeitenden stand mir ein Betrag für den Abschied in die Pensionierung zur Verfügung. Diesen habe ich in Staatswein und Bölletünne investiert und den Klosterkeller an einem Abend für alle Mitarbeitenden des Departements geöffnet. Und damit hat es sich.