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Diese Kritik ist haltlos
schaffhauser az, 13.11.2008 von Bea Hauser
Den ganzen Montagmorgen beriet der Kantonsrat das neue Bildungs- und Schulgesetz, und Erziehungsdirektorin Rosmarie Widmer Gysel musste viel erklären. Am Ende stimmte der Rat dem Bildungsgesetz mit 66 zu 1 und dem Schulgesetz mit 41 zu 20 Stimmen zu. Der Morgen endete aber mit einer Fundamentalkritik und der Androhung von Widerstand.
Bea Hauser: Rosmarie Widmer Gysel, der pensionierte Kantonsschullehrer und FDP-Kantonsrat Eduard Joos kritisierte das neue Schulgesetz mit harten Worten. Er wirft Ihnen vor, dass der Kantonsrat ausgeschaltet wird und alle Kompetenzen dem Regierungsrat übertragen werden. Was sagen Sie dazu?
Rosmarie Widmer Gysel: In jenem Moment, als er sein Votum nach der Schlussabstimmung hielt, war ich sprachlos. Während dreieinhalb Jahren arbeiteten wir an diesem Schulgesetz, und wir führten eine grosse Vernehmlassung durch. Am liebsten hätte ich gesagt, warum ist ein solcher Kritiker nicht Mitglied der Spezialkommission. An den 21 Sitzungen der Spezialkommission machten wir eine grosse Auslegeordnung und diskutierten viele Punkte seines kritischen Ansatzes schon viel früher. Viele seiner Vorwürfe wurden schon lange entkräftet. Ich finde, die Kritik von Kantonsrat Joos ist haltlos.
Ein harter Vorwurf lautete, die beiden neuen Gesetze seien reine Verwaltungs- und Organisationsgesetze und hätten mit dem Gehalt der Schule nicht direkt zu tun. Sind die Gesetze eine Hülle ohne Inhalt?
Absolut nicht. Diese beiden Gesetze sind ein Fundament, das mit wichtigen Inhalten gefüllt ist, wie beispielsweise dem Grundsatz des integrativen Unterrichts, den geleiteten Schulen und den Tagesstrukturen. Diese Grundsätze müssen in einem Gesetz festgehalten werden. Die darauf folgenden Verordnungen definierten dann die Inhalte im Detail. Unsere Schulen folgen dem Deutschschweizer Lehrplan, und ein Lehrplan oder die Lektionentafeln gehören nun einmal nicht in das Gesetz oder in ein Dekret.
Kantonsrat Joos bemängelte auch, dass die Einsetzung von Schulleitern und Rektoren mehr Personal brauche, der Kantonsrat aber nie Auskunft über die effektiven Kosten darüber erhalten habe. Trifft das zu?
Solche Aussagen machen mich wütend. Das ist doch überhaupt nicht wahr! Die finanziellen Auswirkungen sind ein Bestandteil der Vorlage. Es geht um 6,2 bis 6,6 Prozent der Gesamtkosten für die Volksschule oder 4,6 bis 4,8 Millionen Franken. Das wird gebraucht für die professionellen Schulleitungen, und daran hat sich überhaupt nichts geändert. Klar, in der Vorlage hat man mit den Zahlen aus dem Jahr 2006 gerechnet. Wir reden hier von den Lohnkosten, und die entwickeln sich halt. Wir haben aber immer gesagt, bei den geleiteten Schulen darf man nicht «schmürzeln». Immerhin gibt es einen grossen Initialaufwand. Aber an den Zahlen hat sich gar nie etwas verändert.
Es wurde auch kritisiert, dass die kantonsrätliche Bildungskommission gar nichts Wesentliches zu entscheiden habe, sondern wiederum nur der Regierungsrat. Haben Sie das Parlament ausgeschaltet?
Absolut nicht. Mit dieser kantonsrätlichen Bildungskommission, die ich sehr begrüsse, haben wir nun eine Konstante in allen Vorlagen, die die Bildung betreffen. Der Kantonsrat hat jederzeit über das Budget die Möglichkeit einzugreifen. Als beispielsweise das Frühenglisch an der Primarschule eingeführt wurde, wurden die anfallenden Kosten im Budget für die Lehrerausbildung und die zusätzlichen Lektionen aufgeführt. Da hätte der Kantonsrat die Möglichkeit gehabt, diese zusätzlichen Kosten abzulehnen. Aber, um beim Englisch zu bleiben, dazu haben wir uns verpflichtet, weil wir entschieden haben, unsere Volksschule zu harmonisieren. Das ist eine Strategie. Mit dem notabene vom Kantonsrat gewählten Bildungsrat haben wir endlich ein Gremium, das beratend sämtliche Stufen abdeckt, auch die Berufsbildung. An der Schnittstelle zwischen der obligatorischen Volksschule und der Berufsbildung oder dem Gymnasium passieren die entscheidenden Dinge. Dort wollen wir beide Partner im gleichen Boot haben.
Auch die geplanten Schulverbände stiessen auf Kritik. Konkret: Das Format des Zweckverbands sei für einen Schulverband unzweckmässig, weil so kompliziert, dass eine unüberschaubare Behördenorganisation aufgebaut werden muss. Wollen Sie mit dem Bildungs- und dem Schulgesetz den Verwaltungsapparat aufblähen? Sind Sie eine Madame le Bureau?
Das wird immer wieder behauptet, aber ich bin komplett anderer Meinung. Natürlich sind Zweckverbände nicht das «Gelbeste» vom Ei. Wir haben alle Varianten auf die Vor- und Nachteile geprüft, und der Zweckverband ist die demokratischste und logischste Lösung. Dort sind die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten geklärt. Der Schulrat, die Exekutive des Zweckverbands, ist direkt an alle Gemeindebehörden angebunden, und da die Schulreferenten dort Einsitz haben, macht dieses Konstrukt auch Sinn. Wir wissen ja nicht, wie sich unser Kanton weiterentwickelt. Bei einer weiteren Gemeindefusion ist es mit einem Zweckverband für die Schule viel einfacher.
Was macht der Regierungsrat respektive kann der Kantonsrat machen mit der Petition der Gemeinderäte, Schulbehörden und des Schulzweckverbands von Buchberg und Rüdlingen, die eine Sonderregelung fordern?
Im Prinzip müsste sie von der Petitionskommission des Kantonsrats beraten werden. Laut meinen Informationen wollen die Behörden die Petition aber zurückziehen, nachdem der Kantonsrat nun abgestimmt hat. Aber es ist mir klar, dass aus Rüdlingen und Buchberg Opposition gegen das Schulgesetz gemacht wird.
Es gibt am 8. Februar eine obligatorische Volksabstimmung zum Bildungs- und zum Schulgesetz. Fürchten Sie diese Abstimmung?
Überhaupt nicht. Ich war sehr froh, dass Kantonsrat Matthias Freivogel schon beim Bildungsgesetz diesen Antrag für die obligatorische Volksabstimmung gestellt hat. Grundsätzlich begrüsse ich es, dass über das Schulgesetz abgestimmt wird. Bei den öffentlichen Veranstaltungen im Zusammenhang mit den beiden Gesetzen kamen immer sehr viele interessierte Leute. Daher ist eine Abstimmung nichts als logisch. Im Vorfeld kann man wieder informieren, und das ist für mich die beste Kommunikationsschiene. Ein neues Schulgesetz hat es noch in keinem Kanton leicht gehabt.