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Die Steuern werden nicht erhöht

Schaffhauser Nachrichten, 19.11.2013 von Erwin Künzi und Zeno Geisseler

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Die Budgetdebatte im Kantonsrat war nicht nur langwierig, sondern auch von Emotionen geprägt. Beim Steuerfuss folgte der Rat nicht dem Vorschlag der Regierung.

Er war zwar gut gemeint, aber chancenlos, der Appell von Ratspräsident Richard Bührer (SP, Thayngen) zu Beginn der Budgetberatung: Der Rat möge sich in seinen Voten kurzfassen und so für eine effiziente Beratung des Staatsvoranschlages 2014 sorgen. Es kam, wie zu erwarten war, anders. So zeigte etwa die Uhr bereits 14.45 Uhr, bevor mit der Detailberatung (siehe Seite 18) begonnen werden konnte. Den Auftakt zur Debatte machte Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel: Die Chefin des Finanzdepartements stellte das «Übergangsbudget» für 2014 vor. Ende 2014, wenn die Resultate der in Auftrag gegebenen Studie vorliegen würden, wisse man dann, welche nachhaltigen Entlastungsmassnahmen man ergreifen könne.

Nachdem sie im Detail erklärt hatte, wo überall gespart wurde und wie sich Steuererhöhungen auf wen auswirken würden, meinte sie: « Es ist unumgänglich, dass wir rasche Entlastungen einleiten und die Steuern für natürliche Personen um 3 Punkte erhöhen.» Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) habe aus dem Budget 2014 herausgeholt, was möglich gewesen sei, erklärte GPK-Präsident Dino Tamagni (SVP, Neuhausen). Die GPK sei auch überzeugt, dass es trotz Sparbudget 0,8 Prozent der Lohnsumme für individuelle Lohnerhöhungen brauche. Die GPK wolle keine Steuererhöhungen, der Entscheid sei allerdings sehr knapp ausgefallen.

Kompromisse und Klumpenrisiko

In der Eintretensdebatte fielen die Urteile über das Budget und die Arbeit der GPK sehr unterschiedlich aus. Werner Bächtold (SP, Schaffhausen) kritisierte, die bürgerlichen Mitglieder der GPK seien nicht zu Kompromissen bereit gewesen. Es sei nicht nachhaltig gespart worden, sondern nur Kosten auf später verschoben worden. Regula Widmer (ÖBS, Beringen) sprach vom Klumpenrisiko der wenigen Firmen, die überhaupt Steuern bezahlen, und meinte: «Wir kommen um Steuererhöhungen nicht herum.» Hans Schwaninger (SVP, Guntmadingen) begründete für seine Fraktion die Ablehnung von Steuererhöhungen: «Wir können uns als Kleinkanton nicht alles leisten.» Florian Keller (AL, Schaffhausen) forderte, es müsse eine politische Diskussion über die Leistungen des Staates geführt werden. «Was wollen wir, was nicht?» Thomas Hauser (FDP, Schaffhausen) wollte in Bezug auf das Budget 2014 nicht von einer «Weltuntergangsstimmung» sprechen, da bei den Einnahmen auch wieder einmal bessere Zeiten kommen könnten.

Keine Pauschalkürzung

Da das Eintreten unbestritten war, wollte der Rat mit der Detailberatung des Budgets beginnen. Marcel Montanari (JF, Thayngen) verhinderte dies mit einem Antrag, die Personalkosten generell um 5 Millionen Franken oder 2,89 Prozent zu kürzen. Das gehe, wenn man sich bei der Wiederbesetzung von Stellen zurückhalte und die Regierung die Zügel straffer in die Hände nehme, meinte er. Das löste eine längere Diskussion aus. Patrick Strasser (SP, Oberhallau) verwies darauf, dass die Verwaltung gesetzliche Aufträge erfüllen und bei Kürzungen zuerst die Gesetze angepasst werden müssten. Zudem gebe es Verträge, die einzuhalten seien. Auch Dino Tamagni war gegen den Antrag: «Die Ziele sollen realistisch sein», meinte er; zudem solle man zuerst die Ergebnisse der Sparstudie abwarten. Anderer Meinung war Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen): Der Antrag lasse sich problemlos umsetzen, denn der Kantonsrat beschliesse ja den Betrag für den Personalaufwand. Peter Neukomm (SP, Schaffhausen) vertrat die Auffassung, dass Pauschalkürzungen nicht zulässig seien. «Der Kantonsrat muss bei bestimmten Konten kürzen. Tut er dies nicht, ist das eine Bankrotterklärung.» Für Martina Munz (SP, Hallau) war dieser Antrag ein Misstrauensvotum gegenüber der bürgerlichen Mehrheit in Regierung und Kantonsrat. Markus Müller (SVP, Löhningen) wollte die Sparstudie abwarten, aber «dann muss innerhalb eines Jahres etwas geschehen». Nach einem längeren Hin und Her und der Erklärung von Rosmarie Widmer Gysel, dass die Regierung ernsthaft um Kürzungen bei den Personalkosten bemüht sei und dass 2014, bei Vorlage der Sparstudie, es unweigerlich zu Kündigungen beim Personal kommen werde, wurde abgestimmt. Der Rat sprach sich mit 37 zu 13 Stimmen gegen eine Pauschalkürzung von 5 Millionen Franken beim Personal aus. Anschliessend konnte die Detailberatung beginnen.

Die Steuerdebatte

Kurz nach 22 Uhr kam es zur entscheidenden Abstimmung: derjenigen über den Steuerfuss. Die Regierung hatte ursprünglich vorgeschlagen, sowohl für juristische Personen, also Firmen, wie auch für natürliche Personen, also Private, von 112 auf 118 Prozent zu gehen. Kurz vor der Budgetdebatte präsentierte sie einen revidierten Vorschlag: unverändert 112 Prozent für die Firmen und drei Punkte mehr für Private, also 115 Prozent. Dies war der erste Antrag. Die Geschäftsprüfungskommission stellte einen weiteren Antrag: gar keine Steuererhöhung, also unverändert 112 Prozent für alle. Susi Stühlinger (AL, Schaffhausen) wiederum beantragte, die Steuern für Private sogar um 10 Prozentpunkte anzuheben (und für Unternehmen unverändert zu lassen). «Somit gewinnen wir 20 Millionen Franken», sagte sie. «Die Steuererhöhung entspricht genau dem, was in den letzten zehn Jahren an Punkten verschenkt worden ist. Der Steuerfuss für natürliche Personen ist zudem kein wesentlicher Standortfaktor.» Walter Vogelsanger (SP, Beggingen) schliesslich stellte den Antrag, … … auf 118 Prozent für juristische und natürliche Personen zu gehen – entsprechend also den ursprünglichen Plänen der Regierung. «Wir müssen schlau sein und Weitsicht zeigen», forderte er. «Wir brauchen ein selbstbewusstes Parlament, das nicht in Quartalsabschlüssen denkt. Wieso scheut das verängstigte Parlament Steuererhöhungen wie der Teufel das Weihwasser?», fragte er. Matthias Freivogel (SP, Schaffhausen) warnte davor, die Steuern unverändert zu lassen: «Dann schmilzt unser Eigenkapital in einem Jahr auf 86 Millionen Franken, dann auf 45, dann auf 11, und dann ist Schluss.» Walter Hotz (SVP, Schaffhausen) hingegen sagte, die höheren Einnahmen würden nicht investiert, sondern dazu verwendet, um Löcher zu stopfen, weshalb er für den Antrag der GPK sei. Dann kam es zur Abstimmung, zuerst der Antrag Stühlinger gegen den Antrag Vogelsanger. Stühlinger unterlag mit 5 zu 18 Stimmen. Dann der Antrag Vogelsanger gegen den Antrag der Regierung. Vogelsanger unterlag mit 22 zu 24 Stimmen. Schliesslich der Antrag der Regierung gegen den Antrag der GPK. Letzterer gewann mit 34 zu 14 Stimmen. Das Budget 2014 wurde in der Schlussabstimmung mit 30 zu 23 Stimmen genehmigt.

Zu entscheiden hatte der Rat zum Finanzplan 2014–2017 nichts, zu sagen schon.

Was im Rennsport die Aufwärmrunde ist, ist bei der Monster-Budgetdebatte im Kantonsrat jeweils das Traktandum über den Finanzplan: Entschieden wird noch nichts, aber man kann schwierige argumentative Kurven schon einmal ausfahren und den Rhetorikmotor auf Betriebstemperatur bringen. Der Finanzplan ist nur ein Planungsinstrument der Regierung, darüber abstimmen darf der Kantonsrat nicht.

Finanzdirektorin und Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel orientierte über die Eckpunkte des Finanzplans 2014–2017: Der Aufwand soll von 664 Millionen Franken (Budget 2013) auf 702 Millionen Franken (2017) ansteigen. Zwei Ausgabenposten sind die grossen Wachstumstreiber: die Gesundheit (+10 Millionen Franken) und die Soziale Wohlfahrt (+20 Millionen Franken). Der Ertrag wiederum soll von 640 auf 686 Millionen Franken ansteigen, allein die Finanzen und die Steuern sollen um rund 28 Millionen Franken höher ausfallen. Ausgeglichen wird der Haushalt bis 2017 nicht werden, es bleibt ein Defizit – trotz des Entlastungsprogramms ESH3 im Umfang von 20 Millionen Franken. «Wir wissen, wo wir stehen. Wir haben ein strukturelles Defizit von 40 Millionen Franken, die laufenden Einnahmen decken die Ausgaben nicht mehr – auf Jahre hinaus gesehen. Auch Investitionen können nicht finanziert werden», sagte Widmer Gysel. Bis spätestens 2017 soll die Lücke zwischen Ausgaben und Einnahmen aber dennoch geschlossen werden, unter anderem mit dem bereits gestarteten neuen Entlastungsprogramm 2014. Jetzt brauche es eine Diskussion darüber, was der Kanton sich noch leisten wolle und was nicht. «Dieser Weg wird steinig werden, aber mit Sicherheit auch spannend», sagte Widmer Gysel. Umstritten war, warum der Kanton mit höheren Ausgaben konfrontiert ist – und ob er die Steuern erhöhen soll. Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen) sagte, die Entwicklung sei zum Teil strukturell, zum Teil aber auch konjunkturell bedingt. Der Kanton verfüge immer noch über ein Eigenkapitalpolster, es sei legitim, dieses nun dafür einzusetzen, um die konjunkturelle Baisse auszugleichen. Daniel Fischer (SP, Schaffhausen) meinte: «Wir müssen alle am gleichen Strick ziehen. Die Steuererhöhung muss für die Wirtschaft genauso gelten wie für natürliche Personen.» Nach gut einer Stunde war der Plan zur Kenntnis genommen, und die Kantonsräte begaben sich zum Start für die Budgetdebatte.

Bericht SN