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«Die Kritik der ÖBS ist fadenscheinig»

Regierungsratswahlen: Bilanz der Bisherigen

Schaffhauser Nachrichten, 17.07.2012 von Zeno Geisseler

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Am 26. August wählt Schaffhausen eine neue Kantonsregierung. Wir stellen die Kandidatinnen und Kandidaten vor. Heute: Rosmarie Widmer Gysel (bisher)

Frau Regierungsrätin, die ÖBS empfiehlt Sie nicht zur Wiederwahl – als einziges Mitglied der Regierung. Wie fühlt es sich an auf der Abschussliste?

Rosmarie Widmer Gysel: Jede Partei ist in der Parolenfassung frei. Wenn in wirtschaftlich und finanziell schwierigeren Zeiten nicht alles Wünschbare finanziert werden kann, können nicht alle zufriedengestellt werden.

Ist das jetzt die Rache, weil Sie ÖBS-Regierungsrat Herbert Bühl aus dem Amt verdrängt haben?

Widmer Gysel: 2004 haben die Stimmberechtigen eine Wahl getroffen. Die ÖBS begründet ihre Parole damit, dass ich für eine verfehlte Steuerpolitik und nun für das Sparpaket verantwortlich sei.

Sind Sie das nicht?

Widmer Gysel: Unsere erfolgreiche Steuerstrategie – hinter der ich nach wie vor stehe – wurde von der Gesamtregierung erstmals 2001 definiert und vom Kantonsrat beschlossen. Das Volk hat sie in mehreren Abstimmungen unterstützt. Sie ist mit Grundlage für die Schaffung von Arbeitsplätzen, die insgesamt gute Entwicklung unseres Kantons und damit auch für das Wachstum der Steuereinnahmen. Aufgegleist wurde die Steuerpolitik vom damaligen SP-Finanzdirektor, mit Unterstützung auch aus den Reihen der ÖBS. Insofern ist die Kritik der ÖBS fadenscheinig.

Das Entlastungsprogramm ESH 3 schlägt hohe Wellen, knapp 25 Millionen Franken sollen jährlich eingespart werden, fast 60 Stellen fallen weg. Über das Programm kann das Volk in den kommenden Wochen nicht abstimmen, über die Finanzdirektorin schon. Werden Sie von den Betroffenen einen Tritt ans Schienbein erhalten?

Widmer Gysel: Der ausgeglichene Haushalt ist die verfassungsmässige Aufgabe und Pflicht des Regierungsrates und von mir als Finanzdirektorin. Das erfordert jetzt Entscheide, die nicht allen gefallen. Das wissen auch unsere Bürgerinnen und Bürger, denn auch sie müssen notgedrungen Abstriche machen, wenn in ihrem privaten Haushalt die Mittel nicht ausreichen.

Sie sind vor zweieinhalb Jahren vom Erziehungs- ins Finanzdepartement gewechselt. Wie beurteilen Sie diesen Schritt rückblickend?

Widmer Gysel: Ein Stück meines Herzens ist immer noch im Erziehungsdepartement, ich habe es gerne geführt. Aber 2010 war die Konstellation so, dass der neu gewählte Christian Amsler ins Erziehungsdepartement wollte. Ich hatte schon seit jeher eine Affinität zu Finanzen und Sicherheit. Ich fühle mich sehr wohl, auch wenn die Finanzlage heute eine andere ist als noch vor drei Jahren.

Was bezeichnen Sie als Ihren grössten Erfolg der vergangenen Amtszeit?

Widmer Gysel: Das neue Polizeigesetz bildet eine wichtige Grundlage für die Polizei. Dann die jüngste Revision des Steuergesetzes, obwohl wir die Steuersenkungen wegen der bekannten Einnahmenausfälle streichen mussten. Beides ging nach harten Diskussionen schliesslich glatt durch den Kantonsrat. Eine gute Arbeit war auch das Entlastungsprogramm, obwohl der Entscheid des Kantonsrates dazu noch aussteht. Alle Departemente haben wesentlich zum ESH 3 beigetragen, jetzt liegen die Grundlagen auf dem Tisch und können diskutiert werden.

Was war die grösste Enttäuschung?

 Widmer Gysel: Dass das Volk das neue Schulgesetz, das ich noch als Erziehungsdirektorin verantwortet hatte, im Jahr 2009 deutlich ablehnte. Ich bin heute noch davon überzeugt, dass es viele gute Ansätze enthielt. Aber die Ablehnung war kein Weltuntergang. Welche Herausforderungen warten, Wiederwahl vorausgesetzt, in den kommenden Jahren auf Sie? Widmer Gysel: Das grosse, übergeordnete Ziel ist, dass wir bis 2016 einen ausgeglichenen Staatshaushalt erreichen wollen. Sehr aktuell ist zudem der Steuerstreit mit der EU über die Spezialgesellschaften, weil viele Steuereinnahmen und Arbeitsplätze im Kanton vom Ausgang der Verhandlungen abhängen. Wichtig ist auch die Neuorganisation der kantonalen Pensionskasse bis spätestens 1. Januar 2014. Daneben stehen verschiedene Volksbegehren an, so die Steuern-runter- und die Reichtumssteuer- Initiative.

Wie wird sich der Regierungsrat ab Anfang 2013 zusammensetzen?

Widmer Gysel: Ich hoffe, dass wir in der bisherigen Besetzung weiterarbeiten können, aber letztlich entscheiden das die Wählerinnen und die Wähler.

Frau Regierungsrätin, besten Dank für dieses Gespräch.

Iren Eichenberger: «Ich vermisse bei Widmer Gysel mehr Sensibilität für Schwächere»

«Rosmarie Widmer Gysel ist zwar zielstrebig und bringt viel Know-how mit», sagt ÖBS-Präsidentin und Kantonsrätin Iren Eichenberger. «Aber die öffentliche Hand ist kein Unternehmen.» Eichenberger vermisst bei der Finanzdirektorin insbesondere mehr soziale Sensibilität für Schwächere, gerade auch beim Entlastungsprogramm ESH 3. «So wird zum Beispiel bei der Schulzahnklinik gespart und bei der Musikschule», sagt Eichenberger. «Bildungs-, Sozial- und Kulturabbau betrifft aber die Bevölkerungsgruppen gleich mehrfach mit Tausenden von Franken.» Diese Schichten hätten von den Steuersenkungen der Vergangenheit jedoch nicht profitiert, diese seien den Vermögenden zugutegekommen. Stossend sei weiter der Abbau bei den Landeskirchen, die viele soziale und Integrationsaufgaben übernähmen. SP-Mann Werner Bächtold habe stets eine umsichtige und sozialverträgliche Finanzpolitik vertreten und werde daher von der ÖBS zur Wahl empfohlen.

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