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Der Kanton erhält moderne und zeitgemässe Kinderbetreuungsangebote
Schleitheimer Bote, 23.01.2007 von Kurt Schönberger
Es war ein Morgen der persönlichen Vorstösse mit bildungspolitischen Schwer- und Höhepunkten: Der Rat stimmte einer Motion für ein Rahmengesetz mit Anschubfinanzierung in Höhe von 1 Mio. Franken für familienergänzende Kinderbetreuungsangebote zu. Ausserdem überwies er ein Postulat betreffend Tagesschulen an den Regierungsrat. Auch das Kompetenzzentrum für Geriatrie war ein Thema.
Vor Aufnahme der Beratungen kritisiert Thomas Hurter (SVP, Schaffhausen) das Vorgehen an der letzten Sitzung zu den Vorstössen Storrer und Peyer. Er wünscht getrennte Behandlung und stellt entsprechend Antrag. Der Präsident stellt Gegenantrag. - Rat stimmt dem Antrag Hurter zu.
Verabschiedung des `Rechtssetzungsprogramms 2`
Beim Rechtssetzungsprogramm 2 geht es im Grundsatz um Anpassungen zur Umsetzung der neuen Kantonsverfassung. Tangiert davon sind verschiedene Gesetze wie Gemeindegesetz, Wahlgesetz, Haftungsgesetz, Zivilprozessordnung, Strafprozessordnung usw. Es geht auch um Anpassungen an das Bundesrecht.
Fast alle diese gesetzlichen Vorschriften passieren den Rat diskussionslos. Ausnahme bildet das Einführungsgesetz zum Umweltschutzgesetz.
Kommissionspräsident Charles Gysel (SVP, Wilchingen) informiert dazu, die Kommission habe den vom Rat anlässlich der letzten Sitzung beschlossenen Änderungsantrag von Stefan Rawyler nochmals beraten. Sie schlägt dem Rat vor, dem Kompromiss in Sachen Massnahmen zur Bekämpfung der Luftbelastung zuzustimmen. Ausserdem stellt sie Antrag, einen neuen Artikel zur Bekämpfung des Lichtsmogs ins Gesetz aufzunehmen. Das Thema Elektrosmog möchte die Kommission im Baugesetz abgehandelt haben.
Regierungsrat erhält Kompetenz, bei hoher Luftbelastung Massnahmen anzuordnen
Und hier setzt denn auch die Diskussion so richtig ein. Konkret geht es um das Thema Feinstaubbelastung. Andreas Gnädinger (SVP, Schaffhausen) möchte diesen Artikel nochmals an die Kommission zurückgeben, um dem Rat einen ausführlichen Bericht und Antrag vorzulegen. Der Rat verfügt nämlich noch immer nicht über die notwendigen Grundlagen, die für den Entscheid notwendig sind. Der Antrag der Kommission ist für ihn kein tauglicher Kompromiss. Er stellt Antrag auf ersatzlose Streichung des Artikels. - Elisabeth Bührer (FDP, Thayngen) befürchtet, dass die Bürger mit solchen Massnahmen, die nun in die Kompetenz der Regierung gegeben werden sollen, schikaniert werden. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Sie unterstützt den Streichungsantrag Gnädinger. Damit löst sie zum einen ein hörbares Gemurmel auf der linken Ratsseite aus, zum anderen ruft sie damit ein vehementes Votum von Urs Capaul (ÖBS, Schaffhausen) auf den Plan. - Bruno Leu (SVP, Neunkirch) sieht Handlungsbedarf in solchen Dingen, er möchte sie aber in eine spezifische Beratung des Umweltschutzgesetzes einfliessen lassen. Er unterstützt den Streichungsantrag. - Für Christian Heydecker (FDP, Schaffhausen) ist es sinnvoller, eine solche Formulierung im Gesetz zu haben, als dass der Regierungsrat zu einer Notlösung greifen müsste. Man sollte doch ein wenig Vertrauen in die Regierung haben. Die vorgeschlagene Lösung ist ein gangbarer Weg. - Regierungsrätin Ursula Hafner-Wipf versichert, dass der Regierungsrat sich nicht zu unverhältnismässigen Massnahmen hinreissen lassen wird. `Vertrauen Sie der Regierung und stimmen Sie der Fassung der Kommission zu!` - Der Rat befolgt diese Empfehlung und lehnt den Streichungsantrag Gnädinger mit 38:23 ab. Damit kann der Regierungsrat zur sofortigen Bekämpfung einer ausserordentlich hohen Luftbelastung, insbesondere durch Ozon oder Feinstaub, in Absprache mit den Nachbarkantonen vorübergehende, auf ein Gesamtkonzept abgestützte Massnahmen anordnen.
Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. - Dem Paket 'Rechtssetzungsprogramm 2' wird in der Abstimmung mit der erforderlichen vier Fünftel-Mehrheit zugestimmt. Es untersteht dem fakultativen Referendum.
Viele Fragen zum Kompetenzzentrum Geriatrie
Für Iren Eichenberger (ÖBS, Schaffhausen) geht es mit ihrer Interpellation um eine grundsätzliche Weichenstellung in der Alterspolitik und darum, wie wir in Zukunft mit den alten Menschen umgehen. Wollen wir eine rein funktionale Alterstherapie, oder sollen auch alte, gebrechliche Menschen ihren Alltag autonom bestimmen können? Lassen wir sie das Tempo bestimmen? Und noch konkreter wird sie, wenn sie die Frage in den Raum stellt: `Wollen wir ausgerechnet jetzt, bei absehbar wachsendem Bedarf, unser hervorragendes, ja in der Schweiz beispielhaftes Geriatriemodell gefährden?` Auch in Ärztekreisen bestehen Bedenken gegen die vorgesehene strukturelle Aufsplittung geriatrischer Leistungen.
Eine lange Geschichte....
Ursula Hafner-Wipf beantwortet den Vorstoss - in epischer Breite. Sie zeigt die Hintergründe auf, die eine längere Vorgeschichte haben. Im Jahre 1984 wurde das ehemalige Pflegeheim vom Kanton übernommen. Gleichzeitig wurde eine neue Subventionspraxis eingeführt. Die Kapazität wurde von 160 auf knapp 100 Betten reduziert. Dieser Bettenabbau war verbunden mit einer markanten qualitativen Veränderung des Angebotes. Dann wurde das Haus gezielt zu einer altersgerechten Klinik ausgebaut. Später wurde es zu einem Pflegezentrum umgewandelt, und noch später mit dem Kantonsspital zusammengelegt. Im Sommer 2003 wurden zwei getrennte Führungsbereiche geschaffen: eine ärztlich geleitete Abteilung Geriatrie und eine separate Abteilung Langzeitpflege. Damit wurde der Differenzierung des Angebotes in der Altersbetreuung Rechnung getragen. Im Jahre 2006 wurde ein Entwurf zu einem neuen Alters- und Betreuungs- und Pflegegesetz erarbeitet, dieses wird demnächst an den Kantonsrat zur Beratung überwiesen.
Zum monierten ausstehenden Bericht der gemischten Arbeitsgruppe sagte sie, dieser liege im Entwurf vor, allerdings würden mit Bezug auf die Baukosten noch einige Zahlen fehlen. Der bereinigte Bericht wird im April 2007 vorliegen. Dann werden Regierungsrat und Spitalrat dazu Stellung nehmen, die Schlussfolgerungen daraus ziehen und diese dem Kantonsrat vorlegen. Die Frage nach einem weiteren Exodus von Kaderleuten beantwortet sie dahingehend, dass dies nicht der Fall sein muss, weil sich die Arbeitsbedingungen nicht verschlechtern werden. Jede Veränderung löst zuerst aber einmal Verunsicherung aus. Deshalb ist es wichtig, dass der Entscheid der Unterbringung der Geriatrie möglichst rasch gefällt wird.
Dann verlangt, die Interpellantin Diskussion. - Charles Gysel (SVP, Wilchingen) seinerseits empfindet es als Zumutung, hier eine halbstündige regierungsrätliche Vorlesung anhören zu müssen. Dem Rat hätte ein schriftlicher Bericht dazu vorgelegt werden können bzw. müssen. Heute kann darüber deshalb gar nicht diskutiert werden. - Dennoch beschliesst der Rat Diskussion.
Nach der Pause stellt Iren Eichenberger Ordnungsantrag auf Verschiebung der Diskussion. - Gesundheitsdirektorin Ursula Hafner-Wipf wiederum schlägt vor, die Diskussion zu verschieben auf den Zeitpunkt, wenn das Alters-, Betreuungs- und Pflegegesetz beraten wird. - Dann wird aber doch noch diskutiert.....
Göpf Werner (SVP, Beggingen) will den Verantwortlichen etwas mehr Zeit lassen, um dem Rat seriöse Vorschläge zu unterbreiten. - Namens der SP/AL-Fraktion benützt Ursula Leu die Gelegenheit, sich beim Personal und den Verantwortlichen für ihre erbrachten Leistungen zu bedanken. Das heutige Angebot kann sich in der Tat sehen lassen.
Für Iren Eichenberger ist der Zweck ihres Vorstosses erfüllt. - Das Geschäft ist erledigt.
Ja zu einer Million für die familienergänzende Kinderbetreuung
Die Begründung der Motion von Jeanette Storrer (FDP, Schaffhausen) zum Erlass eines Rahmengesetzes zur Koordination und Förderung bedarfsgerechter familienergänzender Kinderbetreuungsangebote erfolgte an der letzten Sitzung. Ebenso die Stellungnahme von Regierungsrätin Rosmarie Widmer-Gysel.
Erziehungsdirektorin Rosmarie Widmer Gysel sagte damals: die Haltung der Regierung gegenüber Tagesstrukturen hat sich nicht geändert, die Ausgangslage hingegen schon. In der Zwischenzeit hat nämlich eine entsprechende Formulierung im Entwurf zu einem neuen Schulgesetz Eingang gefunden. Weiter sind auf Beginn des Schuljahres 06/07 Blockzeiten eingeführt worden. Anstelle einer Anschubfinanzierung erachtet sie Beiträge, die nicht zeitgebunden sind, als die bessere Lösung. Wenn die Motionäre gewillt sind, diesen Zusatz zu eliminieren, ist die Regierung bereit, die Motion entgegenzunehmen und das Anliegen in die Revision des Schulgesetzes einzubeziehen. Sonst lehnt sie diese ab.
Unterstützung über die Parteigrenzen hinweg
Franziska Brenn (SP, Neuhausen am Rheinfall) und Richard Mink (CVP, Ramsen) unterstützen die Motion. 'Für uns von der CVP ist das Thema Familie und eine kinderfreundliche Politik ein echtes Anliegen'. - Bruno Leu (SVP, Neunkirch) will dem Rat die Realität nochmals vor Augen führen. Auch für ihn wäre es im Grunde genommen am besten, wenn die Kinder zu Hause aufwachsen könnten. Die Realität ist aber vielfach anders. Es gibt heute nämlich viele Familien, die auf ein Einkommen beider Elternteile angewiesen sind, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Er wird der Motion zustimmen. - Martina Munz (SP, Hallau) hat Freude an den gehörten Argumenten. Sie zeigen, dass ein vielfältiges Betreuungsangebot notwendig ist. Der Kanton Schaffhausen darf diesbezüglich nicht weiter hinten anstehen. Investitionen in den Bereich Kinderbetreuung sind gut angelegt. Wir müssen bei den Tagesstrukturen einen Schritt weiterkommen. - Nil Ylmaz (SP, Neuhausen am Rheinfall) unterstützt die Motion mit dem Hinweis auf die Rolle von Mann und Frau in Familie und Beruf. - Edgar Zehnder (SVP, Schaffhausen) hat Mühe mit der Motion, weil er unter anderem daran zweifelt, dass die Gemeinden nach der Anschubfinanzierung solche Angebote weiterführen können. Viel besser wäre es doch, solche Einrichtungen mit jährlichen Beiträgen zu finanzieren, und zwar mittels spezieller Bestimmung im Schulgesetz, wie die Erziehungsdirektorin dies vorgeschlagen hat.
`Ich nehme die Schelte auf mich...`
Motionärin Jeanette Storrer bedankt sich für die engagierte Diskussion. Sie ist bereit, die Schelte der Erziehungsdirektorin an die FDP-Fraktion anlässlich der letzten Sitzung auf ihre Kappe zu nehmen - aber ganz offensichtlich hat man mir damals nicht zugehört. Die Verhältnisse gegenüber früher haben sich doch sehr verändert. Mit der Überweisung der Motion erhält die Regierung nämlich nur Sukkurs, um die Anliegen der Kinderbetreuung endlich ernsthaft angehen zu können. Alles auf das Schulgesetz zu vertagen, ist doch keine Lösung.
Auch für Rosmarie Widmer-Gysel sind bedarfsgerechte Tagesstrukturen durchaus ein Thema. Meinungsverschiedenheiten gibt es nur mit Bezug auf die Finanzierung derselben.
In der Abstimmung stimmt der Rat der Motion Storrer mit 41 : 14 Stimmen zu.
Auch ja zu Tagesschulen
Die Gründe von Ruth Peyer (SP, Schaffhausen) für die Erarbeitung eines Konzeptes für Tagesschulen und Tageskindergärten sind die folgenden: Ganztagesschulen sind heute in ganz Europa die Regel. Es gibt keine Gründe mehr, die dagegen sprechen. Im Gegenteil, sämtliche gesellschaftlichen und bildungspolitischen Argumente sprechen dafür. Ein gutes Angebot an familienergänzender Betreuung ist zudem Voraussetzung für die berufliche Gleichstellung von Frau und Mann. Es geht aber vor allem um das Bedürfnis der Kinder. Gut geführte Tageskinderstätten bieten diesen einen regelmässigen Tagesablauf mit einem guten schulischen Angebot, gesunder Ernährung und sozialen Kontakten.
Rosmarie Widmer Gysel ist namens der Regierung bereit, das Postulat entgegenzunehmen. Dies in erster Linie aus pädagogischen Gründen und aus Gründen der Chancengleichheit. Allerdings will sie zuerst die tatsächliche Nachfrage und Machbarkeit prüfen, bevor ein Konzept erstellt wird. Wichtig ist nämlich auch, dass die Gemeinden ins Boot geholt werden.
In der Diskussion überwiegen die zustimmenden Argumente. Es gibt aber auch andere. So zum Beispiel von Elisabeth Bührer (FDP, Thayngen), die eine Bedarfsabklärung wünscht, weil sie daran zweifelt, dass die Nachfrage nach Tagesschulen gross ist. Die Kosten dürfen nicht ins Uferlose führen. - René Schmidt (ÖBS) freut sich über die Stellungnahme der Regierungsrätin, die den Vorstoss übernehmen will. Eine Förderung in dieser Sache ist dringend. Tagesschulen leisten einen wichtigen Beitrag für einen attraktiven Standort Schaffhausen. Wir brauchen Tagesschulen, ohne allerdings gegen traditionelle Familienstrukturen zu verstossen. - Philipp Dörig (SVP, Merishausen) mahnt, man dürfe sich modernen Strukturen nicht verschliessen. Er unterstützt das Postulat und hofft, dass auch seine Fraktion dies tun wird.
In der Abstimmung wird das Postulat mit 52:2 Stimmen an die Regierung überwiesen.
Diskussion um Standesinitiative für eine Individualbesteuerung vertagt
Zur Behandlung steht eine Motion von Daniel Fischer (SP, Schaffhausen) betr. Übergang zur Individualbesteuerung. - Noch bevor der Motionär zur Begründung seines Vorstosses kommt, stellt Florian Keller (AL, Schaffhausen) Ordnungsantrag, die Sitzung sei abzubrechen. Konkret verlangt er zuhanden der Ratsmitglieder die Pressemitteilung des Bundes in dieser Angelegenheit. `Bevor wir hier diskutieren, müssen wir doch deren Inhalt kennen`. - Der Rat stimmt mit grosser Mehrheit zu, die Sitzung ist damit beendet.