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Demokratieerlebnis gefragt
Schaffhauser Nachrichten, 03.06.2007 von Erwin Künzi
Die politische Bildung, die bei vielen Jugendlichen fehlt, hat gestern im Kantonsrat zu einer Diskussion geführt.
Manchmal brauche es einen grellen Blitz, damit man etwas sehe, was man auch sonst sehen könnte, wenn man nur genauer hinschauen würde. Mit diesen Worten leitete Hans-Jürg Fehr (SP, Schaffhausen) die Begründung seiner Interpellation zum Thema «Politische Bildung» ein. Der Blitz, der zum Vorstoss Fehrs geführt hatte, war eine Befragung von 1500 Neuntklässlerinnen und -klässlern in den Kantonen Aargau, Bern und Zürich, die erschreckende Ergebnisse in Bezug auf den Wissensstand über das politische System der Schweiz geliefert hatte. «Wenn sie aus der Schule kommen, wissen sie praktisch nichts», fasste Fehr die Ergebnisse zusammen, die frühere Umfragen bestätigen würden. Die Gründe dafür ortete Fehr nicht nur bei der Schule, die in diesem Bereich Stunden gestrichen habe, sondern auch bei den Eltern und bei der Gesellschaft, in der die Politik einen niedrigen Stellenwert habe.
In ihrer Antwort relativierte Regierungsrätin Rosmarie Widmer Gysel die Ergebnisse der von Fehr angeführten Umfrage in den drei Kantonen. Weiter betonte sie, für Schaffhausen gebe es keine solche Umfrage. Sie verwies auf die Schaffhauser Lehrpläne, die eine taugliche und genügende Basis bilden würden, um Schülerinnen und Schüler zu demokratiefähigen jungen Menschen auszubilden. Daneben gebe es aber auch die Verantwortung des Elternhauses, das mit dem gelebten Vorbild vorangehen müsse. Geschehe dies nicht, könne die Schule allein wenig ausrichten. Sobald die definitiven Resultate der Studie vorliegen würden, werde man sehen, ob Handlungsbedarf vorliege, schloss Widmer Gysel.
Von diesen Ausführungen zeigte sich der Interpellant als «überhaupt nicht befriedigt». Der Befund sei klar, denn es gebe auch andere Studien als die der drei Kantone. Es gehe nicht um Wissen, sondern um Erziehung zur Demokratie. Fehle diese, hätten die Gemeinden wie die Parteien immer grössere Mühe, Nachwuchs zu finden und das Milizsystem sei gefährdet. Unterstützung erhielt Fehr von Christian Amsler (FDP, Stetten), der fand, die Fragen seien berechtigt. Die Demokratie brauche eine ständige Pflege, und dabei spiele die Schule eine Schlüsselrolle. Wichtig sei auch zu zeigen, dass man sich am politischen Geschehen beteiligen könne, ohne immer bis ins letzte Detail Bescheid zu wissen. Er empfahl die Einführung von Jugendparlamenten und Klassenräten, die das Einüben der Demokratie ermöglichen würden.
Während Bruno Leu (SVP, Neunkirch) keinen Handlungsbedarf sah, forderte Ruth Peyer (SP, Schaffhausen), Demokratie müsse für die Kinder erlebbar werden. Eduard Joos (FDP Schaffhausen) beklagte das schlechte Image der Politik, meinte «Es ist fünf nach 12», und er verwies auf Brasilien, wo jedes Kind täglich eine Stunde politischen Unterricht erhalte. Demokratie müsse eingeübt werden, wobei auch die Eltern ihren Beitrag zu leisten hätten, verlangte René Schmidt (ÖBS, Schaffhausen).
Für Gottfried Werner (SVP, Beggingen) müssen die Politik und ihre Sprache verständlicher werden. Thomas Hurter (SVP, Schaffhausen) warnte davor, der Schule immer mehr aufzubürden, und Thomas Wetter (SP, Beringen) warf den Politikern vor, Selbstdemontage zu betreiben. Zum Abschluss der Diskussion sicherte Widmer Gysel zu, sie wolle sich bei der Erarbeitung des neuen Deutschschweizer Lehrplans für die politische Bildung einsetzen.