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Colgate-Lächeln und rätselhafte Botschaften

Schaffhauser Nachrichten, 20.07.2016 von Mark Liebenberg

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Der kleine und der grosse Freisinn (Wahlplakat FDP)

Lässige Genossen wollen mehr (Wahlplakat SP)

Alternativ, aber nicht im Auftritt (Wahlplakat AL)

Ein fideles bürgerliches Trio (Wahlplakat bürgerliche Stadträte)

ÖBS: Reduce to the max (Wahlplakat Stadtratswahl)

ÖBS: Reduce to the max (Wahlplakat Regierungsratswahl)

SVP: Dissidentes Grün? (Wahlplakat)

Neukomm: Rote Primeln für alle (Wahlplakate Stadtpräsident)

Auf Wahlplakaten buhlen bisherige und neue Kandidaten um die Wählergunst bei den Regierungsrats- und Stadtratswahlen. Doch wie gut präsentieren sich eigentlich die Schaffhauser Wahlkämpfer? Ein Werber, ein Politberater und ein Experte für Plakatdesign haben sich mit kritischem Blick über die Wahlplakate gebeugt.

Wähler, du bist umzingelt: Unserem Lächeln kannst du nicht entgehen! Im Regierungs- und Stadtrat werden Stühle neu besetzt. Um die Wähler an Bord zu holen, lachen die insgesamt 15 Politkandidaten in den kommenden Wochen von allen Plakatwänden. Eifrige Pendler kennen die Gesichter, Namen und Slogans schon fast im Schlaf.

Doch was taugen die Wahlplakate überhaupt? Wie inszenieren sich die Kandidaten, mit welchen offenen oder versteckten Botschaften arbeiten sie? Wen wollen sie erreichen?

Die SN haben drei Experten gefragt: den Schaffhauser Werber Mäni Frei, der selber keine Politwerbung macht. Den Berner Politologen Mark Balsiger, der als Politberater und Medientrainer selber schon viele Kampagnen gemacht hat. Und Richard Frick, Dozent für Typografie und Plakatdesign in Zürich und Luzern.

Die Rolle eines Wahlplakates umschreiben die drei Profis denn auch unterschiedlich. «Es ist ein Zwei- Sekunden-Werbemittel. Was der ­Betrachter in dieser Zeitspanne nicht erfassen kann, ist verlorene Liebesmühe», meint der Werbemann Mäni Frei. Viele der aktuellen Plakate seien schlicht «überladen», «unorganisiert». Anders sieht es der erfahrene Plakatgestalter Richard Frick: «Ein Plakat gestalten heisst einen Inhalt visualisieren.» Leider seien die Inhalte «austauschbar» oder «schlicht nicht mehr vorhanden», beklagt Frick. Der Politberater Mark Balsiger dagegen sagt, es sei schwierig, Botschaften zu vermitteln. «Mehr als 13 Wörter auf einem Plakat sind zu viel.» Und: Wer es heute unterlasse, seine Website anzugeben – zumal bei Personenwahlen –, verpasse die Chance, junge Wähler zu erreichen.

Unabhängig voneinander haben die Experten auf Einladung der SN die Schaffhauser Wahlplakate für den Wahlgang vom 28. August 2016 analysiert und beurteilt.

SVP: Dissidentes Grün?

Einhellig als «okay» wird das SVP-Plakat der beiden Bisherigen Rosmarie Widmer Gysel und Ernst Landolt beurteilt. «Es ist kein weltbewegendes Plakat, aber strahlt Kontinuität aus und soll wohl die Stammwähler ansprechen», meint Frei. Weiss die Zähne, gesund der Teint: denkbar, dass da jemand mit dem «digitalen Pinsel» etwas nachgeholfen habe. «Gestalterisch ist es solide, etwas bieder vielleicht, und für einmal scheint kein SVP-Sünneli», sagt Frick leicht überrascht. Balsiger wittert deshalb sogar einen Hang zur Dissidenz: «Die Corporate Identity der SVP Schweiz ist hier überhaupt nicht eingehalten, nicht einmal das Grün ist das offizielle Grün.» Die beiden Regierungsräte seien ja auch nicht gerade durch auffallende Linientreue zur SVP Schweiz aufgefallen, es könne also durchaus bewusst so gehalten sein, dass sich Widmer Gysel und Landolt sanft vom üblichen, offiziellen Design distanzieren wollten, mutmasst Balsiger.

Lässige Genossen wollen mehr

Lockerlässig präsentieren sich Walter Vogelsanger und Kurt Zubler. Im Hintergrund fliesst der Rhein. Das SP-Plakat leide indes an einem rätselhaften Slogan, sagen die Experten: «‹Schaffhausen will mehr›愦灭※ mehr was? Reiche? Zukunft? Wetter?Kann nit verstan», sagt Frei. Der Slogan laufe komplett ins Leere, bemängelt auch Balsiger, obwohl er den «George-Clooney-Typen im grauen Fischgrätensakko» (Vogelsanger) sympathisch findet. «Die Herren wirken ja nett, aber was wollen sie eigentlich genau?», fragt sich auch Frick. Damit werde der Betrachter alleingelassen, nur das rote SP-Würfellogo helfe einem dabei, sich etwas zusammenzureimen. Unglücklich sei die Körpersprache: Vogelsanger dreht sich gestikulierend zu Zubler – dieser schaut in die Kamera und zeigt mit der Hand nach vorn: «Wer macht hier was und warum?», fragt Frei.

Der kleine und der grosse Freisinn

Ein Grafiker hat die beiden FDP-Kandidaten vor einen giftgrünen Hintergrund montiert – dem Politberater gefällt das freisinnige Regierungsratsplakat, nur etwas stört ihn. «Christian Amsler ist vielleicht etwas zu dominant, Kessler wirkt klein daneben, er wird fast ein wenig an den linken Rand des Bildausschnitts gedrückt.» Ein hübsches Detail seien die gelben Schaffhausen-Pins, findet Balsiger, der selber familiäre Wurzeln in Hallau hat, «das zeigt Heimatverbundenheit». Gut sei, dass die beiden Web­adressen der Kandidaten angegeben seien – obschon damit die 13-Worte-Regel gebrochen werde. Dem widerspricht Mäni Frei: «Das Plakat ist überladen – wer merkt sich heute noch Webadressen? Jeder googelt den Namen und kommt so auf die Website.» Auch der Plakatdesigner Frick ist skeptisch: «Es hat gleich zwei stempelartige Elemente, die eigentlich unnötig sind.» Das sei zwar modisch, aber bringe ­inhaltlich keinen Mehrwert.

Alternativ, aber nicht im Auftritt

«Schaffhausen schafft alles» – kalauerhaft, jugendlichfrech, zeitgemäss, dies sind die ersten Worte, die den Plakatexperten beim AL-Plakat einfallen. «Das ist eine clevere Inszenierung, hat eine positive Ausstrahlung, der schönste der drei Menschen ist in der Mitte, das finde ich sehr gelungen», meint Frei. Auch Balsiger findet das Plakat ansprechend: «Der Link zur Website, die das politische Programm erklärt … das funktioniert gut. Den Slogan kann ich mir sogar als flüchtiger Passant merken, und er macht mich neugierig.» Das Plakat als Teaser, der auf ein anderes Medium verweist – hier sei es am besten umgesetzt, sagt der Politologe. Einziger Kritikpunkt: abgeschnittene Hände am unteren Bildrand. Enttäuscht vom Plakat der Alternativen ist ausgerechnet der bekennende Linkswähler Frick: «Ich finde, das Alternative müsste sich gerade auch in einer mutigen, überraschenden, herausfordernden Plakatsprache ausdrücken! Was ich aber hier sehe, ist genau das Gleiche wie bei allen anderen: eine neobiedere Inszenierung.» Keinem der drei Fachleute ist allerdings das stolz zur Schau getragene Tattoo von Kantonsrätin Susi Stühlinger entgangen: «Ein geschickter Versuch, das junge Zielpublikum direkt anzusprechen», findet Mäni Frei.

ÖBS: Reduce to the max

Der Einzige, der das von der nationalen Partei (der Grünen Partei Schweiz) vorgegebene Design konsequent übernehme, sei Jürg Biedermann von der Ökoliberalen Bewegung Schaffhausen, stellt Balsiger fest. Es ist der mutigste Schnitt, voll auf das Gesicht, «reduce to the max». «Der Gesichtsausdruck? Eher etwas ambivalent als entschlossen», meint Balsiger. Als einer der wenigen bleckt der Kandidat nicht mit den Zähnen. «In Ordnung», findet der Typologe Frick Schrift und Gestaltung des Plakats. «Allerdings wäre auch hier eine klare inhaltliche Ansage angebracht», findet er. Umso mehr, als es sich beim Regierungsratskandidaten um einen relativ unbekannten Quereinsteiger handle, wie Werber Frei erklärt: «Vielleicht wäre es klug gewesen, ihn in seinem Beruf zu verorten oder ihn sonst bei ­irgendeiner Aktivität zu zeigen, die ­etwas über seine Person aussagt.»

Ein fideles bürgerliches Trio

Auf zehn Plakaten mit unterschiedlichen Sujets werben FDP-Stadtrat Raphaël Rohner, FDP-Neukandidat Diego Faccani und SVP-Stadtrat Daniel Preisig als bürgerliches Trio für ihre Wahl in die Stadtregierung – samt Qualitätssiegel «100 % bürgerlich». Das Trio posiert etwa an der Schifflände, im Strassencafé, im Ratssaal, vor einem Stadtmodell, im Büro, in der Schuhmacherwerkstatt oder im Linienbus für die Kamera. «Was als Idee vielleicht interessant erschien, ist nicht gut genug umgesetzt», sagt Mäni Frei. «So bleibt es nur Sauglattismus.» Es gebe keine einheitliche Bildsprache, die Protagonisten wüssten nicht recht, was sie auf dem Bild sollten. «Es ist alles irgendwie beliebig, und der Bildhintergrund ist meistens verwirrend.»

Balsiger meint: «Die Kandidaten wollen mir zeigen, dass sie extrem ­dynamisch sind. Ich kaufe denen das nicht ab.» Bemüht wirke das Ganze, und zu überfüllt seien die einzelnen Plakate. «Das einzige Plakat aus der Serie, das authentisch wirkt, ist jenes im Bus.»

Sehr viel aufgeräumter, klarer kommt das Plakat von GLP-Stadtratskandidatin Katrin Bernath im Urteil der Fachleute daher. «Das kann man als Beispiel für ein sauber aufgebautes Plakat nehmen», sagt Gestalter Frick. «Es ist ein eher braves Plakat, das aber alles Wesentliche enthält», ergänzt Balsiger. Etwas matt sei der Quasi-Slogan im blauen Kreis («unsere Stadt­rätin»), den hätte man prägnanter, aktiver formulieren müssen, sagt der … … Politologe. Etwas zu zurückhaltend findet Mäni Frei die Fotografie: «Das Lächeln wirkt verordnet, wie ein Passfoto.»

Neukomm: Rote Primeln für alle

Stapi Peter Neukomm (SP) wirbt mit diversen Sujets für seine Wiederwahl. Gefallen findet die Expertenrunde an mehreren davon. «Besonders jene, die ihn im Gespräch mit Menschen zeigen – da wirkt er wirklich authentisch», sagt Frick. Alle drei loben die exzellente Fotografie. Überflüssig findet der Werbemann Frei hingegen die Slogans: «Man kann sie ohnehin nicht behalten. ‹Attraktive Angebote in der Bildung und Kinderbetreuung›: Wer würde das nicht unterschreiben, ausser vielleicht in der SVP?» Aber, so Frei, das Image als volksnaher Politiker sei hier glaubhaft umgesetzt. Balsiger fällt auf: «Hier ist das SP-Logo weiss und relativ unauffällig platziert. Neukomm will auch für Bürgerliche wählbar ein, es geht um die Stadt, nicht um die Partei. Dafür leuchten im Hintergrund die Primeln schön rot.»

Was zählt: Gesicht, Name, Partei

Laut Mäni Frei gelinge den aktuellen Schaffhauser Wahlplakaten mehrheitlich das wirklich Essenzielle: «Der Wähler soll im Moment, in dem er den Stimmzettel ausfüllt, die Bilder zu den Namen reproduzieren können.» Ein Grundproblem sieht Frei darin, dass bei Wahlen viele Kandidaten möglichst alle ansprechen wollen: «Deshalb ­resultieren oft etwas nichtssagende auswechselbare Allgemeinplätze, statt dass die Kandidaten den Wahlkampf nutzen, um sich zu profilieren».

Bei Personenwahlen sei das Wahlplakat sowieso nur einer von vielen ­Aspekten in einer Kampagne, sagt Mark Balsiger: «Wenn das Plakat ­erreicht, dass jemand ein Gesicht mit einem Namen und einer Parteizugehörigkeit und allenfalls einer Aussage zusammenbringt, dann ist das schon viel.»

Plakatdesigner Richard Frick hat grundsätzlichere Zweifel. «Ich muss gestehen, dass ich zusehends politische Plakate, nicht nur jene in Schaffhausen, als inhaltslos, als ohne Aussage empfinde.» Er fühle sich nicht mehr angesprochen, «diese Plakate ­lösen in mir nichts aus». Dabei hätte gerade die Linke in Bezug auf das politische Plakat einen Ruf zu verteidigen. «Ein Plakat soll überraschen, herausfordern. Wäre ich allerdings in Schaffhausen ein Neuzuzüger, ich wäre wohl ziemlich aufgeschmissen.»